24.12.2023
Weihnachten 2023


Liebe Freundinnen und Freunde des Klosters Säben,

Advent heißt für uns Christinnen und Christen, dass wir uns auf dieses so unglaubliche Geschehen vorbereiten, dass unser Gott Mensch werden will. Weil er uns so liebt, weil er ohne uns nicht leben will, weil er es nicht aushält, dass wir Menschen ihn immer wieder vergessen, verdrängen, vernachlässigen, will er werden wie wir. Uns nahe sein, ganz real denken und spüren wie wir. Sich auch all dem Leid und dem Schmerz, auch all den Versuchungen in unserem Leben aussetzen. Er geht wie wir durch Höhen und Tiefen im Leben, wird missverstanden, wird abgelehnt, wird beleidigt und verhöhnt und am Schluss dann grausam ermordet, hingerichtet. Und er erlebt auch alle wunderschönen Momente.
Dieses unglaubliche Ereignis feiern wir jedes Jahr an Weihnachten. Darauf sich vorbereiten ist aber auch absolut notwendig und tut uns gut, heilt, macht Mut und schenkt uns immer wieder Hoffnung.
Hoffnung, die wir in unserer momentanen Weltlage so dringend nötig haben. Es könnten einem ja durchaus Angst werden, wenn man ansehen muss, dass ein Diktator einfach ein anders Land überfällt, weil er irgendwelche Machtphantasien hat, dass eine Terrorgruppe einfach Menschen ermordet, quält, foltert, entführt, ohne sich an irgendwelche Menschenrechte zu halten, ohne auf die Würde der Menschen Rücksicht zu nehmen. Und auf der anderen Seite reagiert ein Staat so hasserfüllt, so brutal, so rigoros, dass wieder alle Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.
Es scheint tatsächlich ziemlich dunkel zu sein in unserer Welt.
Dass trotzdem sehr viel Gutes geschieht, Menschen geholfen wird, einander beigestanden wird, der ein oder die andere sich selber zurücknimmt, um für andere da zu sein, das geht fast unter, drängt sich nicht so in den Vordergrund, ist auch nicht so medienwirksam, Schlagzeilen füllend. Aber es ist – Gott sei Dank – immer noch da.
Gott sei Dank sage ich deshalb, weil ich überzeugt bin, dass wir ganz viel positives menschliches Verhalten, also Rücksichtnahmen, Hilfe, Unterstützung, Dasein füreinander, genau diesem unserem Gott verdanken, dass es grundgelegt ist in dieser wunderbaren Entscheidung Gottes, selber Mensch zu werden.

In unserem Verein dürfen wir auch dankbar zurückblicken, so empfinde ich wenigstens.
Bei unserer Herbstfahrt nach Brixen konnten wir wieder mit der Äbtissin Ancilla eine sehr schöne Begegnung erleben, mit Herrn Kripp, dem Diözesankämmerer und Verwalter des Klosters, ein gutes Gespräch führen und miteinander ein paar sehr schöne Tage erleben.
Dass die Zisterzienser von Heilig Blut bei Wien eine Art „Probewohnen“ auf Säben gemacht haben, hat auch bei uns wieder die Hoffnung aufkeimen lassen oder gestärkt, dass es auf Säben wieder weitergeht, dass weiterhin geistliches Leben dort stattfinden kann, dass weiterhin spirituelle Anregungen, Impulse und Hilfe vom Kloster Säben ausgehen werden.
Wir müssen jetzt halt abwarten, wie die Zisterzienser diese Wochen einschätzen und bewerten, wie sie die Erfahrungen im Kloster, mit den Menschen in Klausen und mit den Menschen in Südtirol auswerten und ob sie eine Möglichkeit sehen für sich und ihre Ordensgemeinschaft, sich auf Säben einzulassen.
Hoffen wir das Beste.

Wenn ich so auf „meinen“ Advent zurückblicke, dann stelle ich fest, dass mich wieder einmal die Gestalt des Johannes des Täufers beeindruckt hat, der am 2. Adventsonntag im Mittelpunkt gestanden ist.
Ein radikaler Rufer in der Wüste. Und anscheinend hat er mit seiner Mahnung Erfolg. Massen strömen zu ihm, lassen sich überzeugen, zumindest kurzfristig, lassen sich taufen. Sehr zum Unwillen der etablierten Theologen. Die haben ja das Heil für die Menschen in ihren Lehren, in ihren Geboten, in ihren Anweisungen, wie das Leben der Menschen zu führen sei.
Sie können sich auf jahrhundertealte Traditionen berufen, auf einen Talmud, der von Gott offenbart, alles genau festlegt. Sie wissen, wie Gott ist, wie er erwartet, dass die Menschen sind, wie er angebetet und verherrlicht werden will. Sie wissen genau, wie die Opfer aussehen sollen, die er verlangt. Und sie haben die 10 Gebote, die Mose selber von Gott direkt erhalten hat und die unendlich, unbegrenzt, zeitlos gültig sind.
Und dann tritt dieser Johannes auf, macht die Leute abspenstig, bzw. unruhig, lässt sie fragen, lässt sie vielleicht auch Zweifel haben an dieser ganzen Institution, an diesem Lehrgebäude, an der exklusiven Deutungshoheit der Theologen. Stellt ihnen radikale Veränderung vor Augen. Setzt einen Termin, weil dieser Umsturz jetzt kommt, diese Tage, ganz bald.
Irgendwie drängen sich mir hier Parallelen auf zu manchen Situationen heute. Die einen wissen, wie Gott ist, wie er denkt, wie er will, dass „seine“ Kirche strukturiert ist, dass er seine Vollmacht, in seinem Namen zu reden, nur ganz bestimmten Menschen anvertraut, dass er seinen Geist nur in ganz festgelegten Bedingungen zur Verfügung stellt.
Und die anderen verzweifeln fast bei ihren Versuchen, diesen unseren Gott lebendig werden zu lassen in dieser unserer Welt. In diesen neuen Strukturen, in den geänderten Menschenbildern, in der sich rasant wandelnden Gesellschaft, neben den unzählig vielen Angeboten von Lebensentwürfen und Weltanschauungen.
Manchmal denke ich, es wär schön, wenn auch heute der „Erlöser“ schon in den Startlöchern stehen würde, schon da wär, mitten unter uns, mitten drin in unseren Diskussionen. So wie bei Johannes eine Vision, die dann konkret Gestalt annimmt vor ihm im Wasser des Jordans.

Aber eigentlich ist er ja schon da. Weil er ja eigentlich immer da ist. Mitten drin, mitten unter uns, in unseren Gesprächen, in unseren Gedanken, in unserem Handeln.
Wir tun uns bloß oft ein wenig hart, ihn zu erkennen, ihn zu verstehen, vielleicht auch in den Gedanken und Worten der anderen. Weil es einfach so schwer fällt, sich selber zurück zu nehmen, mal über die Ideen und Gedanken der anderen nachzudenken, sich hinein zu versetzen in unser Gegenüber.

Vielleicht kann dieser Johannes mich und uns auch weiterhin ein wenig anregen und begleiten, auch über Weihnachten hinaus, ins neue Jahr hinein.
Und ich wünsche uns, dass das dann ein gutes Neues Jahr wird.

Herzliche Grüße

Hermann Messerer



23.05.2023
Jahreshauptversammlung 2023 / Herbst-Fahrt
Bei der Jahreshauptversammlung am 23.05.2023 wurde die Vorstandschaft wiedergewählt:
Erster Vorsitzender: Hermann Messerer
Stellv. Vorsitzende: Marianne Zettl
Schatzmeisterin: Brigitte Diringer
Schriftführer: Martin Innig

Die Herbst-Fahrt nach Südtirol ist zu diesem Termin geplant:
30. September - 4. Oktober 2023
Die Unterkunft ist im Priesterseminar in Brixen.
Sie können sich bei Hermann Messerer verbindlich anmelden.



Pfingsten 2022
Pfingstbrief 2022
Der Heilige Geist ist das innerste Geheimnis Gottes und er ist die letzte, äußerste Gabe Gottes für die Welt. Er erneuert die Schöpfung von innen her, er lässt nichts so, wie es war. Wer an die Kraft dieses Geistes glaubt und um sein Kommen bittet, muss wissen, dass er die göttliche Unruhe herbeiruft.

Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben,

diese Sätze stehen über den Texten zur Liturgie am Pfingstsonntag, die die Erzabtei St. Martin zu Beuron herausgibt. Und dieser Satz: „er ist die letzte, äußerste Gabe Gottes für die Welt.“ hat mich betroffen. Das heißt ja, dass der Heilige Geist, den Jesus seinen Freundinnen und Freunden zum Abschied verspricht, dieses ganze wunderbare Geschehen um Jesus, der Mensch wird, weil Gott die Menschen einfach nicht aufgeben will, weil er nur das Beste für sie will, weil er so weit geht, selber für die Menschen, für uns zu sterben, dass der Geist das alles noch toppt, steigert, irgendwie zur Vollendung bringt. Und da muss ich mich fragen, wie ich diesen Geist, dieses innere Geheimnis Gotts denn so wahrnehme in meinem Leben, in meinem Handeln, in meinem Denken. Und auch in meiner Kirche.

Klar, Gott ist wichtig, fundamental für mich, und Jesus auch, sein Reden und Tun, seine Botschaft und sein Vermächtnis. Und ich denke schon, dass sie die Grundlage sind für Entscheidungen, für Haltungen, für das Verhalten in meinem Leben.

Aber wo hat dieser Heilige Geist seinen Platz, seine Bedeutung? Wo spüre ich, wo realisiere ich in meinem Denken, in meinem Glauben seine Gegenwart? Wenig hilfreich dabei sind diese lustigen Anekdoten von Priestern oder Bischöfen, die das Fenster öffnen oder Brotkrumen auf die Fensterbank streuen, um den Heiligen Geist anzulocken, einzulassen, diesen Geist, der als weiße Taube dargestellt wird. Diesen Geist, den wir anscheinend immer von außen erwarten, von oben, von irgendwoher, aber nicht aus uns selber heraus. Vielleicht liegt dieser Vorstellung ja diese Erzählung zugrunde, dass die Jüngerinnen und Jünger Jesu an Pfingsten mit dem Heiligen Geist erfüllt worden sind, in Form von Flammen, die von oben herabfielen. Und dabei vergessen wir, dass die Apostel uns mit ihren Erzählungen und Berichten über Jesus als Gottes Sohn auch diese „Begeisterung“ überliefert haben, dieses „innerste Geheimnis Gottes, seine letzte, äußerste Gabe“. Sich dessen immer wieder bewusst zu machen, könnte uns schon beruhigen, uns helfen, mit so manchen Vorwürfen und Anfeindungen, so manchen Anfragen und Infragestellungen als Christinnen und Christen gelassener oder ungezwungener umzugehen.

Wenn da nicht auch noch die folgenden Sätze stehen würden.Er erneuert die Schöpfung von innen her, er lässt nichts so, wie es war. Davor haben wird doch Angst, dass nichts so bleibt, wie wir es gewohnt sind. Dass alles sich verändert, dass wir uns auf nichts mehr berufen und verlassen können. Dass wir uns auf etwas Neues einlassen müssen. Unsere Welt, unsere Gesellschaft verändert sich so schnell, ungeahnte technische Möglichkeiten, atemberaubende wissenschaftliche Erkenntnisse, dass wir kaum Schritt halten können, dass wir unwillkürlich an unseren Erfahrungen, an unseren Vorstellungen, an unseren Traditionen festhalten wollen. Da fühlen wir uns sicher. Damit können wir umgehen.

Und genau an diesem Punkt treffen wir auf unsere Vorfahren im Glauben. Auch sie mussten ihre ganze Tradition, ihre Vorstellung von Gott, die theologischen Erkenntnisse und Lehren in Frage stellen, aufgeben, sich auf eine neue, oder zumindest wesentlich veränderte Lehre von Gott einstellen. Was sich in Jahrhunderten entwickelt hatte, was Menschen in all ihren Lebenssituationen und Fragen begleitet hatte, was Heil und Befreiung verhieß, sollten sie neu denken und verkünden.

Und in der Bibel wird davon erzählt, dass es für sie auch nicht einfach gewesen ist. Sie sind davongelaufen, sie haben Jesus verleugnet, sie konnten es einfach nicht glauben, sie rangen immer wieder mit den Vorschriften ihres Glaubens, mit den neuen Fragen und Anforderungen.

Sie haben sich darauf eingelassen, sie haben sich dafür eingesetzt, sogar ihr Leben dafür aufs Spiel gesetzt.

Wer an die Kraft dieses Geistes glaubt und um sein Kommen bittet, muss wissen, dass er die göttliche Unruhe herbeiruft. Diese „göttliche Unruhe“ heißt für mich, dass es keine Situation im Leben gibt, in der wir uns auf gewonnene Einsichten zurückziehen dürfen, auf Traditionen, weil es schon immer so war, auf unseren Vorstellungen und Bildern von Gott bestehen dürfen. Unser Gott ist ein lebendiger Gott, einer, der mitgeht in allen Bereichen unsers Lebens, der sich auch verändert mit unseren Erfahrungen, mit unseren Problemen, mit unserem Leben. Es ist aber auch einer, den wir nicht suchen müssen, mühsam und auf verworrenen Wegen. Weil er ja einfach schon da ist, in uns, als äußerste Gabe in Form des Heiligen Geistes.

Dass wir diesen Geist, unseren Gott, in uns spüren und zusammen mit ihm unser Leben gestalten können, das wünsche ich uns allen an diesem Pfingstfest 2022.

Hermann Messerer



22.05.2023
Veni Creator Spiritus...
Eine pfingstliche Wortmeldung

Nein: So alt wie ich bin, fühle ich mich noch gar nicht. Deshalb möchte ich mich auch fröhlich bedanken für die vielen Glück- und Segenswünsche und Geschenke zum 80., vor allem bei denen, die ich noch nicht erreicht habe. Freilich, es fällt oft schwer, das eigene Alter wahrzunehmen. „Das Schlimmste an der Jugend nämlich ist halt, dass man selber nicht mehr dazu gehört“.
„Forever young“ ist ein Gerücht, das süchtig macht in unserer sog. Wohlstandsgesellschaft, an der längst nicht alle Anteil haben. Ewige Jugend, ein schöner Traum, immer mehr für viele auch ein Alptraum. Wenn dann aber körperlich und geistig, jenseits des Rentenbescheids noch „alles geht“, warum sich dann alt fühlen? fragte kürzlich die SZ. Wer will schon zum alten Eisen gehören? Man wird freilich dazu von der Fungesellschaft gemacht.
Wir müssen und können nicht wirklich die „Suppe“ auslöffeln, die wir den nächst folgenden Generationen mit unserem toxischen Lebensstil und unseren Verhaltensweisen eingebrockt haben. Mit Recht klagen die besorgten Klimakleber und fürchten für ihre Zukunft. Wir, und meine Generation meine ich damit auch, sollten uns eher schämen und Schuld bekennen und unsere Lebensphilosophie kritisch ändern.

„Philosophieren heißt: Sterben lernen“, so sagte spätestens Platon. Wenn man aber als Christ das Ewige miteinbezieht, nicht nur als Möglichkeit oder als Idee, sondern als Wirklichkeit, dann sind Religion und Glaube nicht „Opium fürs Volk“, sondern wirken wie Doping, als soziale und spirituelle Energiezufuhr und wie ein geistiges Nahrungsergänzungsmittel für geistige und seelische Potenzsteigerung. Dann bleiben wir auch noch am Ball, auch als Alte.
Dann grenzt unsere befristete Lebenszeit an eine Ewigkeit, die alle Altersangst und Todesfurcht überwindet. „Finalität besiegt letztlich Mortalität“, so sagt Bodo Marquard. „Finish“ heißt nicht „Ende“ sondern „Ziel“. Ein Ende setzt der Tod für unser Leben, für unsere individuelle, physisch biologische Existenz, aber er ist noch nicht unser Ziel. Es geht nicht um endloses Verenden, sondern um eine Vollendung, die noch aussteht. Diese kommt von woanders her auf uns zu, bzw. wird uns geschenkt, wie das Leben ehedem selber Geschenk von Ewigkeit her ist. Dieses „EWIGE“ umfasst alle Vergangenheit und alle Zukunft.
Was immer einmal war und was jetzt Gegenwart ist, wird auch für immer, in ewiger Zukunft Wirklichkeit sein, auch als Gewesenes. Denn, sowie das „HEUTE“ morgen gestern gewesen sein wird, so wird es auch morgen weiter wirksam bleiben in aller Zukunft, auch als „Vergangenes“.

Psychologisch betrachtet fühlt sich der 80-jährige auch biologisch und physisch vielleicht noch wie 55, dank der medizinischen Kunst, aber auch der besseren Arbeits- und Lebensbedingungen. Aber machen wir uns nichts vor. Es wird nicht immer so bleiben, wie es aussieht.

Neben der KI wollen neuerdings auch die biologischen Intelligenzforscher (BI) die zu erwartende Lebenszeit verlängern. Dass sie aber (KI und BI) das Geheimnis von Existenz überhaupt: woher das Leben und warum überhaupt Dasein kommt, können und auch werden sie und das glauben auch selbst die hartgesottensten Freigeister nicht ergründen zu können, weil sich bei jedem neuen Fortschritt oder jeder Neuentdeckung fünf und mehr neue Fragen auftun. Auch der Versuch des Bioinformatikers Tobias Marschall, mit Hilfe der Erstellung eines Pangenoms, eine individuelle Genverbesserung durch Austausch defekter Gene zu gewinnen bleibt Utopie, aber dem ewigen auf der Spur.

Sobald der Mensch geboren ist, ist er auch alt genug zu sterben. Der Welt und den auf uns selber folgenden Generationen das Weiterleben zu gönnen, das ist wahre Lebenskunst. Doch auch ihnen, auch den jungen nicht, bleibt das Altern nicht erspart. Doch erleichtert Dankbarkeit uns selber im Rückblick auf ein schönes, erfülltes und interessantes Leben, ein oft verdächtiges Selbstmitleid, weil wir viele Erlebensmöglichkeiten verpasst oder selbstverschuldet versäumt haben und jetzt nachtrauern. Im Alter ist nicht mehr viel Zeit für große Zukunftspläne. Aber es ist Zeit für Erinnerungen an das Positive, Zeit für Kontemplation und Ja, für Philosophie oder/und Andacht usw., ja, wie ein lockeres Sprichwort sagt: „Alter neigt zum Psalter“.

Für mich gehört noch, um ein Wort Marquards zu gebrauchen, eine erfrischende und befreiende, altersgemäße „Schandmaulkompetenz“ dazu. Man kann es sich endlich leisten und fromm und frei wagen, ohne Furcht selbsternannte oder angemaßte Autoritäten zu kritisieren und eigene Überzeugungen und Meinungen zu vertreten und zu widersprechen. Auch braucht man kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen, „gelegen oder ungelegen“, wie wir schon in der Bibel lesen.


Man fühlt sich verpflichtet, sich selbst treu zu bleiben und oft auch gesellschaftliche Konventionen zu ignorieren. Man hat nichts mehr zu verlieren oder zu befürchten, weder Renten- noch Gehaltseinbußen, berufliche Nachteile, Karriereknick und üble Nachreden (diese höchstens nicht mehr lang).

Zivilcourage ist angesagt, z.B. bei der längst überfälligen Diskussion um den von Papst Franziskus selber eingeleiteten „Synodalen Weg“, wo aber etliche Bischöfe nicht gerade den erforderlichen Mut beweisen und vor Rom kusche(l)n, aus Angst vor eigenem Machtverlust und Autoritätseinbuße(n).

Wovor sollen wir uns fürchten, wenn es um Wahrheit und Gerechtigkeit geht, die letztlich siegen werden, weil sie sich nach dem Willen Gottes (wie könnte es auch anders sein?) richten und den alle(s) umfassenden Heilsweg ersehnen, der sich aber erst entfaltet und erfüllt.

Wir sind es auch denen schuldig, die hier noch fürchten müssen und noch unter geistigen Repressalien leiden. Es sind nicht die Feigen oder die Lauen, die austreten. Oft sind es Ehrenamtliche und Aktivisten, die resignieren und dann enttäuscht und frustriert der Kirche verloren gehen. Viele Mutlose bleiben gleichgültig zurück, oft auch noch im Alter. Dabei aber darf der Glaube nicht nur strukturell funktional gesehen werden. Er muss sich zu einer motivierenden Kraft weiterentwickeln aus dem Geist des Evangeliums.

„Bleiben sie zuversichtlich“ wie ein „Heute-Nachrichtensprecher“ oft sein Schlusswort formuliert. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Tot ist, wer diese aufgibt. Das „Forever young“ das ist der Geist der Hoffnung, der „Heilige Geist“ der evolutionär, dynamischer Geist ist. Im Sturm fegt er Überholtes hinweg und bringt Neues hervor, ohne Altes, Vergangenes zu recyceln. Sanft wie eine Taube schwebt er herab und animiert die, die flammend begeistert sind Neues zu riskieren.

Paulus schreibt an die Tessalonicher: „Prüft alles und behaltet das Gute. Meidet das Böse in jeder Gestalt.“ (1 Tess 21-22), dann sagt er weiter im 2. Korinther-Brief (3,17) „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“. Ja, wo Geist ist, da geht was, da ist Gott in seinem Schöpfungselement. Da wird die Schöpfung neu und wir mit ihr sein, dann, „wenn der Herr einst wieder kommt. Ja, dann möchte ich auch, und werden wir alle dabei sein“. Dann finden wir alle uns in erlöster und erneuerter Weise wieder zusammen in einstimmigen Dank- und Lobpreis auf diese Schöpfung und den Schöpfergeist.

Ja: „Komm Schöpfer Geist“.

In diesem Sinne ein geistgesegnetes Pfingstfest


Euer
Hans Eberhardt
„...Emitte Spiritum tuum, et creabuntur, et renovabis faciem terrae.“



26.04.2023
Zu: „Hans Küng: Was ich glaube.“
(Randbemerkungen zum Gespräch)

„Ich schreibe für Menschen, die auf der Suche sind“, beginnt Hans Küng seine Überlegungen und beginnt seine Suche nach dem, was im Leben wirklich zählt. Auf der Suche sind sich alle, die wir heute oft nichts mehr anfangen können mit den Antworten, die theologische und kirchliche Autoritäten geben, in einer Sprache, die immer weniger Gläubige verstehen. Es sind die Grenzfragen nach dem „Woher und Wozu“ des Lebens, der Welt und der ganzen Schöpfung. Es geht um „Sein oder Nichtsein“, ob es überhaupt etwas gibt oder nichts, wie Existenzphilosophen fragen. Die Frage nach dem „Nichts“ entfällt, denn sie setzt immer „Sein“ und die Fragesteller voraus. Woher also das „Sein“ und das „Dasein“ und auch das „Wozu“. Die erste Katechismusfrage: „Wozu sind wir auf Erden“, wusste noch eine Antwort. ...um Gott zu lieben und dadurch selig zu werden. Vor dieser Frage kapituliert auch die selbstkritische Wissenschaft als rationale Vernunft. Die traditionelle Dogmatik dringt aber auch bei den Gläubigen nicht mehr durch. Küng hat den „Sinnverlust“ vieler Menschen, derer ganzes Lebenssinnkonzept zusammenbricht, in einer Welt, „wo alles geht“ (anything goes), wo es kein Halten gibt, politisch, sozial, technisch, wo der „homo faber“ alles angeblich kann, wenn er nur will, ob er darf oder nicht. Er darf aber nicht alles, was er angeblich kann. Danach wird schon nicht mehr gefragt.

Nach uns die Zukunft. Sie soll für sich selber sorgen. Selbst die Aufklärung und die Säkularisation haben nicht zu mehr „Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit“ geführt. Auch die „68iger Jahre“ sind in die Sackgasse ihrer Selbstgefälligkeit geraten und … keine neuen rettenden Ufer in Sicht. Der Mensch für sich allein kann sein Glück nicht finden, trotz aller utopischer Allmachtsträume, die ihm aus allen Kanälen ewiges Glück verheißen. Was aber ist der wirkliche und wirkende Lebensgrund? Das ist Küngs Frage in seinem Buch „Was ich glaube“. Seit Galileo Galilei´s „...und sie dreht sich doch“ - (die Erde um die Sonne) gerät der Mensch, gegen alle kirchlichen Dementis immer mehr in eine Art „metaphysische Obdachlosigkeit“. Der Mensch dreht sich nur mehr um sich selbst. Gott zieht sich scheinbar immer mehr aus seiner Schöpfung zurück.

Seit Nietzsche´s „Gott ist tot“-Erklärung erst recht. Die Gott geschenkte und gelenkte Heilsgeschichte wandelt sich in menschlicher Hand zu einer Fortschrittsgeschichte. Ist dies wirklich einem evolutiv gesteuerten „antropischen Prinzip“ folgende Heilsgeschichte ohne Gott? Oder ist es doch nur eine maßlos übermütige Idee menschlicher Arroganz, - computer- und KI gesteuert, wo der Mensch dann endgültig seine gottgewollte Freiheit und Würde aufgibt? Hat da der Glaube noch Zukunft? Küng zitiert L. Wittgenstein: „Ich weiß, dass diese Welt ist.“ Diese Seinsgewißheit ist der Fels des Theismus. Seinsgewißheit gibt den Urgrund als die Basis aller Sinnfragen. Auch die letzten Fragen nach Gott gehen von hier aus. Aber hat diese Antwort heute noch Bestand? Das ist die bange Frage auch bei Küng. Für den Philosophen und genialen Mathematiker G.W. Leibniz ist die gottgeschaffene Welt noch die „beste aller Welten“. Aber hätte dieser allmächtige und barmherzige Gott nicht doch eine bessere Welt ohne Leid, Tod und das Böse erschaffen können und erst recht sollen? Und bedarf dieses „Theodizeeproblem“ nicht der Rechtfertigung bzw. auch der Satisfaktion des Schöpfers selber, wenn alles gut und heil sein und werden soll? Wir sind doch selber mitwirkender Teil als Ebenbilder Gottes im Schöpfungsprozess. Darin besteht doch unsere Würde. Als Menschen haben wir in Freiheit mitzuentscheiden und handeln so nach dem Schöpfungsauftrag der Genesis. Ist dies nicht unsere eigentliche Sinnvorlage? Nietzsche nochmal: Er sagte: „Wenn wir wissen, warum wir leben, werden wir nie ein Problem damit haben, wie wir leben sollen.“ Ich füge hinzu...“weil uns (mir) bewusst ist, dass ER das Heil aller seiner Gläubigen und auch das seiner universalen Schöpfung will.“ Was denn sonst? Da stellt sich die Sinnfrage nicht mehr. Für den, der nicht glaubt und vertraut, ist auch dann keine Sinnerklärung möglich und auch gar nicht nötig. Für ihn bleibt höchstens quälender Zweifel, Ungewissheit oder Hoffnungslosigkeit und abgrundtiefe „Angst“, wie der dänische Philosoph Kierkegaard eindringlich warnt.

Im April 2023Freilich: Die Atheisten als selbsternannte Freidenker sind sich, wie sie glauben, gewiss, dass kein Gott existiert, weil es dafür keine vernünftigen, empirischen Beweise gibt. Immanuel Kant dagegen schafft dem Glauben Raum und Luft und weist die reine Vernunft in ihre Schranken. Aber können wir ohne Religion(en) überhaupt glauben. Oder können wir ohne Kirchen, die ihre gläubigen Mitglieder doch stärken und stützen sollen. Sie sollen sie trösten und leiten ohne in Projektionsverdacht zu fallen oder naiven Wunschvorstellungen zu erliegen und auch nicht Opium fürs Volke ideologisch denunziert zu werden. An Gott glauben (laut Weltwertstudie) insgesamt weltweit 47,2 Prozent, in Deutschland etwa 57,2 Prozent. Dagegen vertrauen nur mehr 5,1 Prozent den Kirchen. Vielleicht ist es die derzeit gefühlte Wohlstands- und Existenzsicherheit unserer Gesellschaft. Not lehrt derzeit nicht mehr beten. Gott sei Dank. Aber das ist längst nicht überall der Fall, z.B. Äthiopien, wo die Not am größten ist, glauben angeblich noch 99,9 Prozent an Gott, berichtet die Studie. Aber schon der Gedanke auf Glaubenszuwachs in der Not ist zynisch für mein Verständnis von Glauben. Doch spirituelle, nach Sinn und geistige Bedürfnisse Dürstenden scheinen trotz Wohlstand an Zahlen nicht signifikant abzunehmen. Sie differenzieren sich eher individuell in esoterische Zirkel aus.

Doch Glaube und Religionen haben mehr zu bieten als nur materielle Heilsversprechungen und Glücksperspektiven. Ist der christliche Glaube nicht endgültig ein Auslaufmodell in unserer Gesellschaft, würde sich Hans Küng nach den Missbrauchsskandalen erst recht fragen und mehr noch zum Versuch der Reformen des „Synodalen Weges“ der vor allem in Deutschland von Rom aber blockiert, so verzweifelt gesucht wird. Rom sollte eher um Küng trauern statt ihn zum Verstummen zu verurteilen. Genauso auch um Teilhard de Chardin, den großen Paläontologen und Theologen. Philosophie, Wissenschaft und Theologie verstand er zu einem Superprinzip in einer Einheit von Gott, Mensch und Welt zusammen zu denken. Teilhard nennt das christische Spiritualität, wo ein göttliches „Milieu“ entstehen kann.

Doch scheinbar hat die Kirche und ihr „unfehlbares“ Lehramt ihr eigenes Galilei-Moment noch immer nicht aufgearbeitet oder begriffen. „Und sie dreht sich doch“ die Erde wie die Kirche um sich selbst, diese weniger aber um „ihre Sonne“, nämlich ihren göttlichen Meister Jesus Christus. ER nimmt alle Sinnfragen auf sich und löst sie durch sein Leben und Sterben. Da geht es nicht um feststehende Wahrheiten der Wissenschaft oder um absolute Wahrheitsansprüche wie in der Dogmatik. Hier geht es um den absoluten Heilswillen Gottes. Der Kirche als historisch gewachsene Institution geht es um ihren Auftrag als gnadenhafte Heilsverkündigung dieses göttlichen Willens. Wenn dieser aber immer mehr auf dem Spiel steht, auch bei Gläubigen, weil heilsstützende Gnadengaben auf dem Spiel stehen, wo z.B. die Sakramente fehlen oder sogar verwehrt werden z.B. aus Priestermangel und dabei die Hälfte aller Berufungen von Frauen aus traditionellen, antiquierten Gründen, aber nicht aus religiösen und erst recht nicht vom NT her begründet werden können. So schafft sich die Kirche letztlich selber ab, weil ihr dafür sinnvolle Legitimationen fehlen. Ein pastoraler Skandal für alle Frauen in der Kirche sowieso.


In dieser historischen Situation sucht Küng nach „Spuren der Transzendenz“, nach dem Göttlichen im Menschen. Er sucht in allen die bloßen, menschliche Existenz überschreitenden Dimensionen. Solche Spuren der Transzendenz finden auch „religiös Unmusikalische“ in der Natur, in den Künsten und vielleicht in der Schönheit und Wahrheit der Liebe Gottes zu den Menschen und der Menschen zueinander, wo das verheißene im „Wort Gottes“ hörbar und im göttlichen Spiel der Liturgie für „religiös Musikalische“, erfühlbar und erlebbar wird. Das Schöne und Gute und Wahre ist so auch gebunden an unsere sinnliche und sinnstiftende erfahrungs- und lebensweltliche Leiblichkeit. In diesem Bewusstsein und Bewusstwerden kann eine neue von komplexer, alles übergreifender Wirklichkeit entstehen, oder religiös ausgedrückt „Auferstehung“ sich als neue Schöpfung inkarnieren, im „Wort, das Fleisch geworden ist“. So im Glauben geborgen, in diesem Geheimnis, erfüllt sich der Sinn unseres Daseins. Der ewige Gott, so drückt es Küng aus, „verleiht allem Zeitlichen Grund und Sinn“. Dem zu vertrauen macht Sinn, weil es vernünftig ist, wie schon z.B. Pascal philosophiert. Wer auf Gott und seine Existenz wettet, hat am Ende nicht auf Sand gebaut, sondern alles gewonnen. Wer nicht auf Gott setzt, hat vielleicht kurzfristig oder vorübergehend etwas gewonnen, aber am Ende alles verloren.Aber wir Christen erhoffen, dass die Barmherzigkeit Gottes in seiner ausgleichenden Gerechtigkeit die Verlierer und vor allem die Opfer der Geschichte nicht in Stich lässt. Aber weil die Täter ihre Schuld auch von den ergebungsbereiten Opfern berührt sind und bekennen und ihre Taten bereuen wird auch Gott seine Heilsversprechen als „Frohe Botschaft“ für sie einlösen. Ja, auch für die, die sich in Freiheit gegen Gott entschieden haben, werden sie von der größeren Dimension göttlicher Barmherzigkeit noch überboten und gnädig integriert.

Das ist es, warum Hans Küng am Sinn des Lebens festhalten und glauben lässt. Es lohnt sich darüber zu diskutieren.

Hans Eberhardt




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