Ostern 2021 Es geht anders! Dieses Thema der Fastenaktion von Misereor hat sich für mich in den letzten Wochen und Monaten schon bewahrheitet. Zugegeben, nicht immer freiwillig haben wir vieles verändert, was uns so lieb geworden war. Gezwungen zu einem vernünftigen und auch Andere berücksichtigenden Umgang mit diesem Virus Corona mussten wir so vieles „anders“ machen. So oft fühlten wir uns in unserer Freiheit eingeschränkt, mussten auf so Vieles verzichten, durften nicht ganz selbstverständlich Freundinnen und Freunde besuchen, Menschen begleiten. Begegnung und Kontakt, Grunddimensionen des menschlichen Lebens, bekamen eine anrüchige, eine dunkle Seite. Und immer wieder mussten wir schmerzvoll uns erarbeiten: Es geht auch anders. Es muss auch anders gehen! Wenn wir nicht in der Lage, wenn wir nicht willens sind, uns selber, unsere Lebensgewohnheiten, unser alltägliches Verhalten, auch unsere Wünsche und Pläne immer wieder mal in Frage zu stellen, von einem anderen Standpunkt, aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten, kann das tödlich sein. Oder zumindest gedankenlos langweilig. Was manchmal sogar auf das Gleiche rauslaufen kann. Vor einem Jahr habe ich im Osterrundbrief von Hoffnungszeichen geschrieben, die mir aufgefallen sind. Dass ich diesen Begriff auch an diesem Ostern wieder zitieren muss, hätte ich nicht gedacht. Aber: Es gibt sie tatsächlich noch! Wenn wieder oder immer noch Eltern mit Kindern im Gottesdienst sind, wenn die Pfarrei technisch so aufgerüstet hat, dass alle über das Internet an den Gottesdiensten teilnehmen können (und die Einschaltquoten erstaunlich hoch sind!), wenn ein täglicher „teatime Impuls“ die Fastenzeit kreativ gestaltet, wenn das traditionelle Fastenessen online und in den Familien mit zur Verfügung gestelltem Rezept gemacht wird, mit live-Schaltung nach Nepal. Dann sind diese Hoffnungszeichen immer noch da und schaffen Verbindung über diese Bedrohung und über diese Einschränkungen hinaus, auch in Distanz und ohne Treffen. Es geht auch anders! Und es muss anders gehen. Diese Erfahrung durften/mussten wir ja auch im Herbst bei unserem Besuch im Kloster machen: Wir mussten zum Übernachten ins Priesterseminar in Brixen ausweichen und konnten unser Kloster und die Schwestern nur zwei Mal kurz besuchen. Aber: Diese Besuche waren sehr intensiv und für mich von einer sehr großen Nähe erfüllt. Die fehlende Selbstverständlichkeit (Wohnen im Kloster) kann den Blick wieder schärfen und die Beziehung intensivieren. Und trotzdem hoffe ich, dass wir bei den nächsten Besuchen wieder im Kloster zu Gast sein können. Ob das im Sommer schon sein kann, oder zumindest dann im Herbst, müssen der Entwicklung der Pandemie, dem Fortschritt der Impfungen überlassen. Es geht auch anders! Ist für mich im Grunde die zentrale Aussage Jesu! Traditionelle, verkrustete Gottesvorstellungen müssen immer wieder aufgebrochen und mit Leben erfüllt werden. Mit einem Leben, das über unsere menschlichen und weltlichen Vorstellungen weit hinaus geht. Weil es seinen Ursprung und auch sein Ziel bei unserem Gott hat. Weil es sich nicht stoppen lässt, weder durch ein kleines Virus, noch durch den menschlichen Tod. So mächtig und bedrohlich beide momentan auch erscheinen mögen. Jesus hat dies in seinem Tod und in seiner Auferstehung für uns alle sehr deutlich gemacht. Aus diesem Vertrauen heraus und aus der Gewissheit, dass Gott unser Leben will und seinerseits alles tut, damit unser Leben gelingt, lasst uns Ostern feiern, den freiwilligen Tod, vor allem aber die Auferstehung und das neue Leben. Und daraus Kraft schöpfen für den Alltag und die manchmal dunklen Momente! Herzliche Grüße Hermann Messerer Weihnachten 2020 Gedanken zu Advent und Weihnachten 2020 Der Advent hat begonnen und Weihnachten kommt immer näher. Aber nicht die Ruhe kehrt ein in die Herzen (wie wir es uns immer im Advent wünschen) und nicht die Vorfreude auf Weihnachten überschattet alles, wie wir es in den letzten Jahren so erlebt haben. Trotz der Anspannung, trotz der angestrengten Suche nach dem passenden Geschenk für die Menschen, die uns wichtig sind, war da doch immer dieses vertraute Leuchten, diese wunderschönen Erinnerungen an Feste, an Familie, an Freundinnen und Freunde. Dieses Jahr müssen wir überlegen, ob wir überhaupt als Familie miteinander feiern können, die Kinder in eigenen Haushalten weit im Land verstreut. Die Angst lässt der Vorfreude wenig Platz. Können wir es denn überhaupt verantworten, am Heiligen Abend in die Christmette zu gehen? Liebgewordene Traditionen werden in Frage gestellt, Schwerpunkte völlig neu gesetzt. Ein Weihnachtsfest, nicht, wie wir es gewohnt sind. Und trotzdem wird Weihnachten kommen. Es wird sich nicht aufhalten lassen. Dabei sehe ich Weihnachten nicht nur als Termin, den es abzuhaken gilt, der halt immer im Terminkalender steht: „Alle Jahre wieder …“ Weihnachten ist ein Geschehen, das unser Leben prägt, beeinflusst, bestimmen kann und soll. Vielleicht werden meine Gedanken durch die Geschichte des 4. Königs ein wenig deutlicher: Als damals dieser Stern aufging am Himmel, ein neuer, bisher nie gesehener Stern, so leuchtend, so faszinierend, ließen sich nicht nur die Heiligen Drei Könige in ihrem Inneren anrühren und machten sich auf den Weg, den Grund für das Erscheinen zu suchen. Von ihnen, von den Sterndeutern aus dem Osten, berichtet uns der Evangelist Matthäus ausführlich. Aber noch ein 4. König hatte sich auf den Weg gemacht. Da sein Kamel aber schon auf den ersten Kilometern lahmte, kam er nicht pünktlich zum verabredeten Treffpunkt und die anderen brachen ohne ihn auf. Er war aber so motiviert, so begeistert von diesem Stern, dass er allein loszog. Auf seinem Weg hinter den drei anderen Königen her wurde er immer wieder aufgehalten. Einmal traf er mitten in der Wildnis auf ein blutendes und weinendes Kind, völlig hilflos und allein. Er nahm es auf sein Kamel und suchte im nächsten Dorf nach der Familie der den Verwandten. Als er niemanden fand, zu dem das Kind gehörte, suchte er eine Pflegefamilie. Damit es dem Kind gut ging, schenke er der Familie einen der drei Edelsteine, die er als Geschenk für den kleinen neuen König mitgenommen hatte, den er ja am Ziel der Reise unter dem Stern zu finden sicher war. Wieder waren Wochen vergangen bis er seinen Weg fortsetzen konnte. Bis er nach Bethlehem kam, waren seine Freunde schon lange wieder abgereist. Sie hatten ja den Stern über dem Stall und das kleine Kind darin gefunden. Und den grausamen König Herodes darauf aufmerksam gemacht, der seine Soldaten geschickt hatte, um alle kleinen Knaben in Bethlehem zu töten. Unser 4. König traf nur mehr die verzweifelten und verstörten Menschen an. Eine Mutter mit zwei kleinen Mädchen fiel ihm besonders auf. Sie hatte vor kurzem ihren Mann verloren und Weihnachten - und dann? Was bleibt außer der leeren Krippe? Jetzt hatten die Soldaten auch ihren kleinen Sohn ermordet. Damit sie und ihre Töchter nicht verhungerten, schenke er ihr den zweiten Edelstein. Er setzte seine Suche nach dem Kind beharrlich fort, fand immer wieder Spuren und Hinweise, kam aber immer zu spät. Jahre später kam er gerade in ein Dorf, das Soldaten überfallen hatten. Sie wollten das Dorf zerstören und die Menschen in die Sklaverei verkaufen. Mit seinem letzten Edelstein kaufte er das Dorf frei. Jetzt hatte er nur mehr sein Kamel und den unstillbaren Wunsch, dieses Kind zu finden. Nachdem er an einen aussätzigen Bettler auch noch sein Kamel verschenkt hatte, stand er eines Tages in einer Stadt am Hafen. Dort sollte gerade ein Mann als Galeerensklave an Bord gehen. Seine Frau und die Kinder schrieen ihre Verzweiflung laut heraus. Da ließ unser 4. König sich wieder berühren und ging anstelle des Mannes als Sklave auf die Galeere. Jetzt hatte er alles verloren: Seine Edelsteine, sein Kamel, seine Freiheit und wahrscheinlich auch seinen Traum, dieses Kind unter dem Stern doch noch irgendwann zu finden. Nach vielen Jahren auf dem Schiff wurde ihm die Freiheit geschenkt und an einem für ihn fremden Land wurde er frei gelassen. Und in dieser Nacht hatte er einen Traum: Er sah seinen Stern wieder! Und dieser Stern wies ihm den Weg in eine große Stadt. Dort herrschte große Aufruhr und viele Menschen waren unterwegs. Sie schoben ihn mit sich aus der Stadt hinaus auf einen kleinen Hügel. Dort standen drei Kreuze mit drei Männern daran. Und er sah über dem Kreuz in der Mitte seinen Stern leuchten. Da zog ein tiefer Friede in sein Herz und trotz der Trauer über diese Grausamkeit wurde er froh. Er hatte, das erkannte er jetzt, sein Kind gefunden! Ich habe diese Geschichte frei nach Edzard Schaper erzählt, der eine alte russische Legende aufgegriffen hat. Weihnachten als Geschehen, das das ganze Leben dieses 4. Königs beeinflusst hat, geprägt hat. Ein Geschehen, das ihn nie mehr losgelassen hat. Wie die drei anderen Könige hat auch er diese Unruhe in sich gespürt, die mit dem Aufgang dieses neuen Sternes entstanden ist, diese Sehnsucht nach Antworten für sein, für unser Leben. Aus der Überzeugung heraus, dass da eine Macht ist, eine Größe, die sich nicht mit einfachen Worten beschreiben lässt, eine Macht, die da ist für uns und uns in ihren Bann zieht, haben sie sich auf den Weg gemacht. Ob und wie sich das Leben der anderen drei verändert hat, wird allenfalls angedeutet: „Sie zogen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück.“ Aber auch sie sind für mich Vorbilder, trotz aller Zweifel an ihrer Historizität und aller Deutungsversuchen als Vertreter der bekannten Erdteile und der Menschen. Die Unruhe in sich spüren. Eine Unruhe, die sich nicht vertreiben lässt durch ein gesichertes Leben, durch Antworten, mit denen man sich zufriedengibt, weil sie allgemein gültig scheinen. Sich selber offen halten für das Unerwartete, das Außergewöhnliche. Ja, auch dafür, dass Gott selber in unsere Welt gekommen ist. Ein wunderbares Wissen, eine wahrhaft beruhigende Nachricht. Und, wenn wir jetzt wieder seinen Geburtstag feiern, dann sollten wir nicht vergessen, dass er nicht nur an diesem Tag da ist, sondern das ganze Jahr da sein will. Ich wünsche uns allen – trotz aller widrigen Umstände – oder vielleicht gerade deshalb – eine gute Vorbereitung auf Weihnachten und dann ein Fest, in dem wir unserem Gott wieder begegnen dürfen. Und aus dieser Begegnung heraus die Kraft und den Mut und die Kreativität, mit den Beschränkungen und erzwungenen Veränderungen gut und konstruktiv umzugehen. Und aus dieser Begegnung heraus auch die Freude und die spannende Erwartung auf das kommende Jahr, mit allem, was es uns bringen wird. Hermann Messerer Pfingsten 2020 Pfingstbrief 2020 Leider geht er viel zu oft unter in unserer Wahrnehmung. Diese dritte Person in unserem Glauben. Dabei könnten/können wir ihn jetzt so gut brauchen. Ist er doch der Tröster. Der, der uns beruhigen kann, wenn alles drunter und drüber geht. Wenn wir uns nicht mehr auskennen, weil alles aus dem Ruder zu laufen scheint. Ist er doch die Stärke und der Mut. Der, der uns immer wieder motiviert, wieder aufzustehen, wieder neu anzufangen, uns nicht ängstlich zu verstecken. Ist er doch die Kreativität. Der, der uns neue Wege gehen lässt, neue Gedanken eingibt, uns suchen und forschen lässt, das Leben und das Miteinander anders und vielleicht neu zu gestalten. Zu tun hat dieser Heilige Geist im Moment ja wirklich genug. So Vieles wird in Frage gestellt, was uns bisher so vertraut und so gewohnt war, woran wir uns halten und orientieren konnten. So Vieles können wir uns nicht erklären, übersteigt unsere Vorstellungskraft und Fantasie. So Vieles müssen wir neu definieren und zuordnen, einpassen in die Gesellschaft und in ein sinnvolles und konstruktives und verantwortungsvolles Leben miteinander. Und dabei brauchen wir Hilfe. Nicht nur Geld und gute Wirtschaftsprogramme. Nicht nur medizinische Erklärungen. Nicht nur Vorschriften, Verordnungen und Gesetze. Und genau hier, glaube ich, kommt dieser Heilige Geist ins Spiel. Diese Zusage Jesu, dass er uns seinen und des Vaters Geist senden wird. In der Apostelgeschichte wird erzählt, was dieser Geist bei den Freunden Jesu bewirkt hat: Sie verstehen nun die Zusammenhänge wirklich. Sie werden in ihrer Überzeugung, in ihrem Glauben an diesen Jesus gestärkt. Sie erkennen klar ihren Auftrag: Redet von Jesus, von seinem Gott! Sie brechen aus ihrer kleinen aramäischen Welt aus und beziehen die ganze Welt in ihr Leben mit ein. Sie wissen, was sie sagen müssen, wie sie es sagen müssen. Und mit dem Heiligen Geist erreichen sie die Herzen der Menschen. Für mich ist diese Stelle aus der Apostelgeschichte nicht nur eine Geschichte aus dem Leben der Apostel und der Freundinnen und Freunde Jesu in der vergangenen Zeit. Für mich ist sie ganz aktuell in unsere Zeit und unsere Situation zu übertragen. Trost, Beruhigung und Auftrag und Ansporn. Ich wünsche uns allen ganz stark die Erfahrung des Heiligen Geistes und den Trost und die Stärke aus seiner Gegenwart. Hermann Messerer (Pfingsten 2020) Ostern 2020 "Zuversicht - sieben Wochen ohne Pessimismus" Mit diesem Motto starteten viele (evangelische) Christinnen und Christen in die Fastenzeit 2020. Die Ideen, wie dieses Motto umgesetzt werden sollte, haben mich sehr beeindruckt: "Sorgt euch nicht!" Seht, wie sich Gott um die Lilien auf dem Feld und die Vögel am Himmel kümmert. Genau so sorgt er sich um euch. "Fürchtet euch nicht!" Gott rettet sein Volk, das am Ufer des Meeres vor der scheinbaren Entscheidung stand, im Wasser zu ertrinken oder sich von den Ägyptern niedermetzeln zu lassen. "Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?" Gott schenkt dem Abraham und seiner Sarah endlich den ersehnten Sohn, als es nach rein menschlichen Erfahrungen schon gar nicht mehr möglich war. "Ich hoffte auf Licht und es kam Finsternis!" Die unerträgliche Leidensgeschichte des Hiob erdet so viele unserer Bitten an Gott und zeigt unsere eigene Hilflosigkeit dem Leid gegenüber auf. "Meine Zuversicht ist bei Gott!" Diese Erfahrung des Psalmbeters dringt tief in die Seele ein, beruhigt und relativiert so manche Erfahrung auf die Verlässlichkeit Gottes für unser Leben. "Klopfet an, so wird auch aufgetan!" Diese unhinterfragte Selbstverständlichkeit, dass Gott uns immer das schenken will, was wir brauchen, was gut ist für uns, was uns weiterbringt. "Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin!" Diese alles durchtragende Überzeugung des Paulus, wie er sie im Römerbrief überliefert, dass unser Lebensziel Gott und damit das Heil ist. Sieben Wochen, von Aschermittwoch bis Ostersonntag, sollten wir uns darin üben, über all die Schrecken des Alltags hinaus, in all dem Leid, in all dem Kummer immer wieder die Überzeugung zu finden: Wir sind nicht allein! Wir können uns auf andere Menschen verlassen. Und vor allem: Wir können uns auf unseren Gott verlassen! Ich habe es als spannende Herausforderung gesehen, mich auf diese 7 Wochen mit diesen Themen einzulassen, mich immer wieder neu einzuüben in dieses Vertrauen auf Gott und auf die Menschen um mich herum. Und dann kam Corona. Und es war nichts mehr so, wie es vorher gewesen ist, wie ich es seit vielen Jahren kenne und praktiziere. Angefangen mit dem Abstandhalten. Keinem mehr die Hand geben. Niemanden mehr zur Begrüßung zu umarmen. Nicht mehr bei einer guten Tasse Kaffee am Tisch sitzen und ratschen. Nicht mal mehr in einen Gottesdienst gehen können. Dafür daheim auf dem Sofa eine Messfeier im Fernsehen aus einem Heim "mitfeiern". Von einem Moment auf den anderen ausgebremst. Alle Vorbereitungen, alle liturgischen Pläne außer Kraft gesetzt, ins Leere gelaufen. Und nebenbei nicht nur täglich, sondern stündlich die Katastrophenmeldungen. Berichte aus China. Horrorreportagen aus Italien. Und die eigene Angst: Du gehörst ja auch schon zur sogenannten Risikogruppe, männlich, über 60. Der erste Elan: Das schaffen wir schon. Ein paar Tage zu Hause bleiben, nicht ins Theater gehen können, nicht Essen gehen. Das geht schon mal. Aber dann kommt wieder der Sonntag. Wieder kein Gottesdienst. Schon ein eigenartiges Gefühl. Jetzt geht schon etwas sehr Wichtiges ab. Irgendwie wird damit schon auch der Glaube in Frage gestellt. Wie wichtig sind diese Rituale, diese Gewohnheiten, diese Selbstverständlichkeiten? Meinen Glauben will ich doch in Gemeinschaft leben. Zu den ansteigenden Zahlen von Infizierten und leider auch Toten kommen immer mehr Meldungen und Klagen, dass unsere Wirtschaft zusammenbricht. Ganze Branchen brechen weg: Gastronomie, Kunst und Kultur, Reisen, Automobilindustrie, Dienstleister wie Friseure und Therapeuten. Die Reaktion der Regierung kann zwar irgendwie beruhigen, lässt aber noch viele Fragen offen. Ein wunderbares Hoffnungszeichen sind die kreativen Einfälle, die sich übers Netz verbreiten. Bekannte Lieder werden umgedichtet, treffend auf die momentane Situation. Anstelle der wöchentlichen Kirchenchorproben lädt der Chorleiter zu einem gemeinsamen Singen vor dem Handy ein. Kolleginnen und Kollegen verschicken trostspendende Bilder, Texte und Geschichten. Menschen, die schon lange nichts mehr von sich haben hören lassen, melden sich per WhatsApp. Gemeinde, Pfarrei, Pfadfinder organisieren Einkaufs- und Besorgungsgänge für Menschen, die nicht aus dem Haus gehen können oder dürfen oder sich nicht trauen. Und, wenn man beim Spazierengehen jemanden trifft, halten zwar alle den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand ein, aber so viel gegrüßt bin ich schon lange nicht mehr worden. Und im Hinterkopf geht mir immer wieder dieser Aufruf für die diesjährige Fastenzeit durch den Sinn: Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus. Vor der aktuellen Lage in unserem Land und in der ganzen Welt hat diese Aktion für mich eine ganz neue, eine ganz tiefe Bedeutung bekommen. Nicht nur in den sieben ausgewählten Bibelstellen für diese sieben Wochen steht, dass wir uns auf unseren Gott verlassen können. Wir dürfen zuversichtlich sein, dass er uns nie allein lassen wird. Das ist die Grundaussage in seiner ganzen Geschichte mit uns Menschen. Angefangen von Adam, über Abraham bis hin zu Maria. Gott steht zu seinem Wort. Gott lässt uns Menschen immer wieder die Freiheit, auch etwas ohne ihn zu planen und zu versuchen. Aber er lässt uns nicht los, verlässt uns nicht. Und das wirklich Tröstliche ist, dass er seine Nähe und seinen Schutz nicht an Bedingungen knüpft. Nur, wenn du das und das tust, glaubst, bekennst, dann bin ich bei dir, stehe dir bei. Er hat seine Liebe zu uns Menschen bedingungslos ausgesprochen und lässt sich in ihr auch nicht durch unser Verhalten beirren. Zuversicht. Eine Wahnsinnsaufgabe und ein Wahnsinnsprogramm. Wahrscheinlich werden öffentliche Gottesdienste an Ostern ausfallen. Kein gemeinsamer Gründonnerstag mit der Erinnerung an das letzte Abendmahl, in dem Jesus uns einlädt, eins mit ihm zu werden. Keine gemeinsame Karfreitagsliturgie mit diesem brutalen und doch so eindringlichen Erleben des Leidens und Sterbens Jesu. Und keine gemeinsame Osternacht mit diesem Aufbrechen der Nacht, auch der Dunkelheit in unserem Herzen, mit dem Aufblühen des Lichtes und der Feier der Befreiung, ja auch der Befreiung von der Bedrohung und Begrenzung durch den Tod. All diese wunderbaren Gottesdienste werden wir wohl nur aus der Ferne und im Fernsehen mitfeiern können. Uns nur im kleinen Kreis der Familie berühren lassen können. Aber das, was wir ansonsten in diesen Gottesdiensten feiern, geschieht trotzdem. Jesus schenkt uns auch heuer wieder dieses wunderbare Zeichen der Gemeinschaft mit ihm und miteinander. Jesus nimmt auch heuer wieder freiwillig das Kreuz auf sich, trägt es für uns Menschen, für jede und jeden von uns, und geht in seiner Liebe bis zum Äußersten, bis zum Tod am Kreuz. Und Gott lässt uns am Ostermorgen wieder feiern, dass er das letzte Wort hat, nicht der Tod, nicht das Leid, nicht der Schmerz, nicht die Grausamkeit, nicht die Einsamkeit. Zuversicht! Auch, wenn so vieles abgesagt wird und abgesagt werden muss. Gott lässt sich nicht absagen. Freuen wir uns auf Ostern! Feiern wir seine Zusage des Lebens! Feiern wir das Leben! Und lassen wir uns berühren von der Nähe unseres Gottes. Ich wünsche uns allen ein gesegnetes und befreiendes Osterfest! Hermann Messerer Weihnachten 2019 Eine kurze Geschichte der Weihnachtszeit (Advent und / oder Event)? An Heiligabend erleben wir wie immer eine feierliche Chistmette. Die Gemeinde begeht die Heilige Nacht, in der Christus geboren wurde. Das Lukas Evangelium wurde gelesen, Weihnachtslieder gesungen, Heiligabend Stimmung eben. Da erwähnte der Pfarrer gegen Schluss so nebenbei, dass dieses Jahr das Christkindl beim Aufstellen der Krippe abhanden gekommen sei, aber sonst stünde sie am selben Ort wie immer. Macht ja eigentlich nichts, sagte mein Kopf. Gottes Sohn wurde ja trotzdem für uns Mensch, damals, theologisch gesprochen. Aber eigentlich sollte doch dieser menschgewordene Gottessohn auch für die Sinne sichtbar oder wenigstens erfahrbar wirklich in der Krippe liegen, sagte mein Herz. Eine leere Krippe aber, das geht an Weihnachten schon gleich gar nicht. Nun ja, am Ende der Messe stehen etliche Besucher vor der Krippe und rätseln: Wo kann's denn sein, es war doch letztes Jahr noch da?... Bis eine beherzte junge Dame die Initiative ergreift und auf das Podest mit der Krippe krabbelte, ganz weit nach hinten in den Stall greift und das Christkind tatsächlich findet. Alles wieder in Ordnung, keine Panik, war ja nur eine Krippenfigur. Oder?, oder vielleicht doch nicht? Oder doch eine Geschichte, die nachdenklich macht oder gar provoziert. Ja, vielleicht haben wir selber aufgegeben, dass Christkind zu suchen, weil wir es nicht dort vermuten, wo es ist, nämlich im Dunklen bei den Kleinen, den Armen und den Bedürftigen, sondern nur dort suchen bei den Reichen, Mächtigen und Schönen, die im Lichte stehen. Weil wir nicht da suchen, wo das Licht eigentlich herkommt. Vielleicht will sie uns dies zeigen (anfangs hatte ich sogar den Pfarrer als Täter in Verdacht, dass da eine Botschaft oder eine pastorale Absicht dahintersteckte). Ja, was suchen wir oder erwarten wir denn noch? Johannes der Täufer lässt Jesus aus dem Gefängnis heraus fragen: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" Und Jesus antwortet: "Blinde sehen und Lahme gehen wieder... und den Armen wird das Evangelium verkündet" (Mt. 11,5). Ja, es kommt darauf an, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern, wie schon Marx sagte. Philosophen und Politiker und auch Theologen reden mehr über und von Gott, der Welt und ihrer Zukunft als mit Gott und zu ihm, der seit Weihnachten für uns Mensch ansprechbar geworden ist und ein Gesicht hat, das Gesicht der Armen, Hungernden, der Fremden und Obdachlosen, das Gesicht eines Kindes. "Mach es wie Gott, werde Mensch", fasste einfach einmal Bischof Kampaus das faszinierende Weihnachtsgeheimnis zusammen. Das ist wahrhaft die Sinninterpretation, die nicht mehr zu toppen ist, nicht durch alle Sinnboykotteure des Atheismus, trotz all ihrer... -ismen, von Nichilismus bis zum menschenverachteten Kapitalismus und all ihrer machtpolitischen und wissenschaftlich getarnten oder eingebildeten Potenz nicht sehen können. Sie wollen nicht sehen, dass es viel vernünftiger wäre, die Hoffnung auf einen "rettenden Gott" (Heidegger) zu richten, der am Ende der Vollendung mit uns alles in allem ist. Die Menschwerdung Gottes (Kenosis) ist auch nicht Schwächung seiner Göttlichkeit, sondern die Größe seiner Liebe. "Gott ist die Liebe" wie Johannes sagt. Darin begründet der italienische Philosoph Giovanni Vattimo die metaphysisch-christliche "Kehre" seines Denkens. Ja, Weihnachten hat eine Vorgeschichte. Sie beginnt spätestens mit der Verkündigung des Engels von Nazareth. Eigentlich sollte man das Lukas Evangelium von hinten nach vorne lesen, um die Absicht des Verfassers zu verstehen: nämlich Jesus als den von den Propheten verheißenen und vom Volk ersehnten Messias zu erahnen. Dann erschließen sich auch die Kindheitsberichte und -legenden in ihrer heißgeschichtlichen Dimension, und Maria, die Mutter Jesu wird in ihrer Bedeutung und als Miterlöserin gewürdigt. Maria spricht ihr " JA-Wort" auf die Anfrage des gottgesandten Engels. Zuvor aber fragt sie selbstbewusst zurück: "Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne." Ja, eine unerhörte Anmaßung einer Frau in einer patriarchalen und männerdominierten Gesellschaft vor 2000 Jahren damals." "Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden, und der Engel weist auf Elisabeth hin, die trotz ihres hohen Alters schon im 6. Monat schwanger ist "denn bei Gott ist kein Ding unmöglich", hakt der Engel nach. Da erst willigt Maria ein und wird sich ihres gewaltigen Heilsauftrages und ihrer Aufgabe bewusst. Mit diesem "JA-Wort" schwanger geht Maria über das Gebirge zu Elisabeth, die selbst Wunderbares erfährt und Maria herzlich begrüßt: "Gesegnet wirst du unter den Frauen (nicht vor allen Frauen, wie die neue Übersetzung lautet"). "Mächtige stürzt er vom Thron, Niedrige erhöht er.... Armen wird die frohe Botschaft verkündet", auf die Israel schon so lange wartet. "Und das Wort ist fleischgeworden" heißt es im Prolog des Johannes. Maria trägt ihn unter dem Herzen und sie trägt ihn nach Betlehem, dann auf der Flucht vor Herodes nach Ägypten, bringt ihn zu Simeon und Anna: Meine Augen haben das Heil gesehen " , sucht ihn, den zwölfjährigen im Tempel. Maria spielt wirklich eine tragende Rolle im Heilsdrama Jesu. Auf seinem Lebensweg ist sie dabei, von Kana bis unters Kreuz, an Pfingsten mitten unter den Aposteln, bei der Geistsendung. Da wird Maria zu Recht Mutter der Kirche genannt: Nicht einer triumphalistischen und hierarchischen, sondern einer dienenden. Ja, auf was warten wir denn noch? Auf wen? Der ewige Advent der Ankunft - und die Wartezeit ist vorbei. "Christ, der Retter ist da". Er ist angekommen. Wir müssen ihm entgegengehen wie auf einem Bahnsteig, sein Gepäck tragen helfen, wie damals Simon von Cyrene, der das Kreuz mittrug, damit er wirklich bei uns aufgenommen ist. Szenenwechsel: Die "Amazonassynode" und erst recht der sog. "Synodale Weg" mögen neuen Auftrieb geben für den jetzt auch noch, nach den Missbrauchsfällen, erschütterten Glauben. Da geht es jetzt endlich um die Sexuallehre der Kirche, um die Würde der Frau und ihre gleichberechtigte Teilnahme im sakramentalen Amt. Die eucharistische Heilsgemeinschaft und -feier ist wichtiger als die zölibatären Strukturen. Dienst eben statt Macht ist nicht zuletzt auch die Botschaft von Weihnachten, die wahre Befreiungstheologie, die im Stall von Betlehem geboren wird, wie der am 2. Dezember verstorbene große Oberpfälzer Theologe Johann Baptist Metz sagen würde. Spätestens seit das säkulare, humane Bewusstsein die Gleichheit von Mann und Frau auch bei uns politisch akzeptiert, ist nicht mehr die Abwertung der Frau theologisch erklärungsbedürftig, sondern der Ausschluss von den sakralen Ämtern durch die Kirchenhierarchie. Auch für die Bewegung Maria 2.0 gehört es zur ganzen Wahrheit des Schöpfungsprozesses, dass von Anfang an Mann und Frau als Ebenbild Gottes geschaffen sind, wie schon die Genesis es auf den Punkt bringt. Vielleicht ist die Zeit jetzt reif, das "Magnifikat" in seiner programmatischen und prophetischen Tiefe anzustimmen und der theologischen Bewusstseinsentwicklung der Gläubigen gerecht zu werden. In den Abschlussreden des Auferstandenen heißt es bei Johannes: "Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht verstehen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit einführen." Wenn schon durch die Frau das "Wort", der "Logos" in Maria Mensch geworden ist... ("und hat unter uns gewohnt") , dann werden wir alle seine Herrlichkeit schauen "voll Gnade und Wahrheit" , dann, wenn wir uns mit Maria und Josef auf den Weg machen nach Betlehem, und wenn es sein muss nach Jerusalem gehen. In dieser zuversichtlichen Hoffnung Ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr. Für alle Säbenfreunde Hans Eberhardt << vorherige Seite nächste Seite >> |