03.04.2023
Ostern 2023
Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben,
zu Beginn der diesjährigen Fastenzeit durfte ich dabei sein, wie junge Eltern für ihre kleine Tochter einen Spruch für die bevorstehende Taufe aussuchten. Langes Blättern und Suchen in der Bibel und in einschlägigen Büchern und Ratgebern. Dann fand die Mutter beim Propheten Josua den Spruch: „Sei mutig und stark! Denn ich, dein Gott, bin überall bei dir!“ Dies sagt Jahwe nach dem Tod von Mose zu Josua, dem Diener von Mose, als er ihm den Auftrag gibt, das Volk Gottes endlich über den Jordan in das gelobte Land zu führen. Aber Josua kann sich vorstellen, dass das nicht so einfach werden wird, weil dieses Land ja bewohnt ist und das Volk Gottes nicht willkommen sein wird. Aber alle Bedenken des Josua hebt Gott auf: Sei mutig und stark und verlass dich darauf, dass ich, dein Gott, überall und in jeder Situation und in allen Problemen und Schwierigkeiten bei dir sein werde.

An vielen Punkten in der Geschichte Gottes mit seinem Volk, in vielen Notlagen, bei entscheidenden Weichenstellungen verspricht er diese Nähe und Begleitung und fordert im Gegenzug Vertrauen auf ihn und Treue zu seinem Wort.

Dieses Vertrauen auf Gottes Treue und sein Wohlwollen den Menschen gegenüber, auf seine Begleitung und seinen Schutz legen die Eltern in diesen Taufspruch für ihre Tochter. So viel kann diesem kleinen Menschen auf seinen Schritten in das Leben begegnen, so viel kann unvorhergesehen passieren, so viel kann schief gehen. Und die Eltern müssen ihr Kind irgendwann loslassen, können es nicht immer schützen. Aber einer kann das. Und wir Christinnen und Christen vertrauen darauf, dass er das auch tun wird, immer und überall.

Dieser Spruch hat mich also durch diese Fastenzeit geführt, war irgendwie immer im Hinterkopf da, hat mich selber so manches Mal beruhigt, wenn ich angesichts des Irrsinns eines Krieges in Panik zu fallen drohte, wenn ich angesichts der Sturheit und Unerbittlichkeit so mancher Kirchenvertreter an meiner/unserer Kirche zu verzweifeln begann, wenn das Leid und der Schmerz lieber Menschen mich auch selber in Hoffnungslosigkeit und Trauer fallen ließen. „Sei mutig und stark, denn ich, dein Gott, bin überall bei dir!“ Und er war auch da bei so manchen Lichtblicken und hoffnungsvollen Begegnungen und Erlebnissen, wenn Nähe spürbar und hilfreich wurde, wenn sich unvorstellbare oder völlig unerwartete Lösungen ergaben. Ich bringe diesen Spruch auch mit den Entwicklungen der Bemühungen um eine Neubesiedelung unseres Klosters Säben zusammen. Wie die vielen Presseberichte aus Brixen und Südtirol zeigen, gibt es sehr intensive Gespräche und Verhandlungen der Diözese mit den Zisterziensern von Heilig Kreuz bei Wien. Und die Berichte über diese Gespräche lassen hoffen. Vielleicht brauchen die Zisterzienser auch diesen Spruch: Sei mutig und stark!, wenn sie sich bei ihrem nächsten Konvent im Frühsommer zu diesem Schritt entschließen.

Denn mutig müssen sie schon sein und stark. Vor allem aber müssen sie auch auf Gott vertrauen, darauf, dass er ihnen den Weg weist und sie dann auch begleitet. Für das Kloster wäre es eine sehr frohe Botschaft, wenn der Dornröschenschlaf endlich beendet würde und wieder neues - geistliches - Leben zurückkehren würde. Und für Mutter Ancilla sicherlich eine sehr große Erleichterung. Für mich passt dieser Spruch auch zu Ostern. Jesus brauchte sehr viel Mut und Kraft, diesen seinen Weg bis zum Kreuz zu gehen. Manchmal schien es selbst ihm zu schwer. In der Nacht am Ölberg, alleinegelassen mit seiner Angst, verraten durch einen Kuss, verlacht, verspottet, gefoltert, erniedrigt, hilflos ausgeliefert. Ausgehalten all dies nur durch sein Wissen um die Nähe seines Vaters. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“, kann er dann am Ende seiner Kraft sagen. Und er wird herausgeholt aus der Tiefe des Todes, auch als Zeichen für uns: „Sei mutig und stark, denn ich, dein Gott, bin überall bei dir! Vertrau auf mich!“ Dieses Vertrauen auf unseren Gott wünsche ich uns allen, trotz Krieg und Leid, Ungerechtigkeit und allem Schlimmen, das wir sehen oder selber erleben müssen.

Frohe und gesegnete Ostern

Hermann Messerer



27.03.2023
Ostern 2023 - Randbemerkungen zum „Synodalen Weg“
Mögen hätten wir schon wollen,
aber dürfen haben wir uns nicht getraut.
(frei nach Karl Valentin)

Mit der 5. Sitzungsperiode ist der versuchte Reformprozess der Kirche in Deutschland zu einem hoffentlich nur vorläufigen Ende gekommen.

Erst die Beschlussprotokolle erlauben ein Resümee. Sie passen wahrlich nicht auf einen Bierdeckel. Trotz intensiven Gesprächen ist es nicht gelungen strukturell in der Kirche etwas zu ändern, nichts an den Machtansprüchen und scheinbar auch nichts an der Alleinentscheidungskompetenz der Bischöfe, auch nicht an den Möglichkeiten der Mitbestimmung für Laien. Aber der innere Formprozess im Glaubensbewusstsein der Gläubigen hat sich sichtbar weiterentwickelt. Nach wie vor geht es um die überhöhte, sakralisierte Idealisierung des priesterlichen Amtes, das ehelosen (zölibatär), exklusiv Männern vorbehalten bleibt. Es geht um die Rolle der Frauen als gleichberechtigte Mitglieder, um die Erneuerung der Sexuallehre, vor allem angesichts der systembedingt ermöglichten und vertuschten Missbrauchsskandale, und um deren Bewältigung.

Als positiver Erfolg darf gewertet werden, dass die SynodenteilnehmerInnen einheitlich der Diakonats- und Diakoninnenweihe für Frauen befürworten. Ein erster Schritt als Zugang zum sakramentalen Priestertum auch für Frauen scheint möglich zu werden. Vielleicht haben da auch die Bischöfe erkannt, dass die überhöhte Sakralisierung patriarchaler Strukturen mit der universalen Heilsbotschaft des Evangeliums nicht entspricht.

Sicher ein großer Erfolg für Franziskus ist die Kurienreform: auch höchste Leitungspositionen, auch solche, die bisher fast ausschließlich Kardinälen vorbehalten waren. Sie können jetzt sogar mit Frauen besetzt werden. Fast eine Revolution, die unbemerkt in der breiten Öffentlichkeit blieb. Das bedeutet eine gewisse Entmachtung der Kardinäle, sondern auch eine Stärkung der Laien und eine Würdigung der Frauen. Auch um die Zukunft der Weltkirche geht es. Wichtig für Franziskus ist vor allem der pastorale und der strukturelle Aspekt. Ihm geht es nicht so sehr um religiös, dogmatische Fixierungen wie Benedikt XVI. und dessen Vorgängern, die vor allem Glaubensspaltungen (Altkatholiken, Anglikaner oder Reformation…) befürchten. Es geht um den SYNODALEN WEG der ganzen Kirche.

Ja, ...sie bewegt sich doch, die Glaubensgemeinschaft als Kirche. Zum Beispiel werden Segnungen homosexueller Paare erlaubt, Wiederverheiratete zum Kommunionempfang ermuntert, oder auch die Geschlechtervielfalt allgemein als gottgegeben akzeptiert.

Ein weiteres kirchenrechtliches Problem ist es, den „Synodalen Weg“ gesamtkirchlich zu legitimieren. Aber wenn demokratisch gewählte Diözesansynodalräte den „Synodalen Weg“ gleichsam von der Basis her demokratisch in Freiheit gewählt werden, können auch Bischöfe auch die Bayerischen und auch die Kurialen in Rom auf Dauer die vom Heiligen Geist universal inspirierte und getragene Entwicklung anerkennen, noch dazu wenn auch global, in anderen kulturgeschichtlichen Regionen, in verschiedenen Ländern, vielleicht in verschiedenen Geschwindigkeiten Prozesse sich abspielen und immer mehr angleichen. Diese geistlichen Fortschritte spielen sich auch innerhalb einer gläubigen Fortschrittsgeschichte bei jedem einzelnen ab. So hat z.B. das 1. Vat. Konzil noch autoritär von Papst Pius IX. das Papsttum an die höchste absolute Machtspitze gesteuert und mit absoluter Unfehlbarkeitsanspruch ausgestattet (gegen den Protest vieler Konzilsteilnehmer, damals 1870/71).

Freilich: Diese Kirche ist bis heute keine Demokratie im politischen Sinn. Sie ist eher von Anfang an eine Art absolute Wahlmonarchie mit dem Papst als oberste Autorität an der Spitze. Zudem aber wird dieser gewählt, und als Stellvertreter Gottes auf Erden hochstilisiert, nicht geweiht sondern eben erwählt. Ja, auch Gott selber lässt sich im Glauben von den Gläubigen wählen. Er ist gleichsam somit der „Urvater“ eines demokratischen Prozessweges und eines schöpferischen, dynamischen, universalen und gesamtkosmischen Heilsweges. Auf diesen Heilsweg zusammen mit und für alle seine Geschöpfe lässt er sich mit ewigem Wahrheitsanspruch bedingungslos in geschenkter Freiheit für das ganze evolutive Schöpfung- und Heilsgeschehen ein. Dieses Prinzip der Freiheit ist nur mit dem, der selbst die Liebe ist (1. Joh. 4, 7-8) kompatibel denkbar.

Die universale, allumfassende göttliche Liebe ist die ausschlaggebende Legitimationsinstanz für unseren Glauben an Gott aus der Ratio und gottgegebenen, doch menschlich begrenzten Vernunft. Diese Liebe wird in Jesus als fleischgewordene Heilszusage im Menschen als sakramentale Selbsthingabe, als offenbar gewordenes freies, unbedingtes „Ja“ Gottes einem jeden Geschöpf zugesagt...et homo factus est, realpräsent in Jesus Christus. Wenn die Kirche an diesem Glaubensgeheimnis synodal festhält, ist sie wahrhaft auf dem sakramentalen, von Gott in die in Christi wiederkommenden Herrlichkeit, (wie die Offenbarung des Johannes prophetisch sagt) Ziel göttlicher Heilszusage.

Schon in der vorbiblischen, vor allem in orientalischen Religionen (z.B. Babylon, Ägypten...) gab es Priesterdynastien, die gleichsam als Verbindungsglieder zwischen Göttern und Menschen galten. Sie waren ausersehen, Versöhnungs- oder Sühneopfer darzubringen um die Götter milde oder gnädig zu stimmen. Eine Art sakrale, liturgische Praxis, die sich weit hinein in den monotheistischen Aufbruch, seit dem Auszug aus dem „Sklavenhaus Ägyptens“ entwickelte. Aber im Laufe der Geschichte Israels ist das Volk immer wieder rückfällig geworden (z.B. am Sinai..., goldene Kalb...).

Schon im 7. Jahrhundert v. Christus kam es zu kritischen Auseinandersetzungen mit dieser priesterlichen Amtspraxis, ja sogar zu blutigen Krisen (Baalspriester und Jahweanhängern). Mit Amos und Hosea greift gleichsam Jahwe selbst ein (Amos 5,2) „Ich hasse euere Feste und kann euere Feiern nicht riechen, wenn ihr mir Brandopfer darbringt.“ oder (Hosea 6,6) „Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer“. So geiseln schon Jahwes Propheten die priesterliche Praxis, die aber bis in Kreuzes- und Sühneopferfrömmigkeit und die Theologie bis heute fortwirkt, wenn auch heute öfter kritisiert, weil immer schwerer vermittelbar, vor allem in der sekularen Gesellschaft.

Vor allem Jesus selber war es, der keinen Konflikt mit der hohen Priesterschaft, den Pharisäern und Gesetzeslehrern aus dem Weg ging. Die Gnade Gottes braucht keine Umwege und amtliche Vermittler (außer Jesus selbst). In seiner Selbsthingabe, in seinem Leben und Sterben zeigt Jesus die unendliche
Barmherzigkeit Gottes, den er seinen Vater nennt und dem er vertraut über seinen Tod hinaus.

Als das Christentum und die entstehenden Gemeinden später im römischen Reich immer mehr Fuß fassten und dann in dessen politischen patriarchal geprägten Strukturen vordrangen, übernahmen sie auch deren hierarchische Ämter und legitimierten sie sekular und sakral.

Aber erst im 11. Jahrhundert, vor allem aus erbrechtlichen Gründen wurde der Zölibat (Ehelosigkeit) verbindlich festgelegt von Gregor VII. Da ging es um die Pfründen und Stiftungsvermögen für die „Institution“ Kirche. Der Zölibat hat nichts mit Sakramentalität zu tun, zölibatere Priester können nichts vererben, Zölibat hat auch nichts mit Hochwürdigkeit oder besonderer Heiligkeit zu tun. Auch hat ja Jesus selber verheiratete Männer zu seinen Aposteln und Jüngern berufen. Deshalb kann die Ehelosigkeit als Voraussetzung für das Priesteramt dogmatisch nicht festgelegt werden. Paulus selber sagt, obwohl er seine Lebensform empfiehlt, habe er keine Weisung vom Herrn. Woher aber haben die Päpste diesen Anspruch? (Papst Johannes Paul II. z.B. oder auch Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation), noch dazu, wenn das Neues Testament nichts dazu hergibt.

Auch eine gewisse Mystik, die Christus als Bräutigam und die Kirche als Braut zu verklären sucht, wie Bischof Oster (Passau) in einem Tagespostextradruck es beschreibt, scheint mir die heilsgeschichtliche Realität des Glaubens verfehlt. Im biologischen Geschlecht allein kann ebenso keine Voraussetzung für Weihefähigkeit oder Exklusivität des Mannseins Jesu abgeleitet werden.

Es ist heilige Aufgabe und sakramentale Sendung von Jesus Christus her, dieses Heilswerk der göttlichen
Barmherzigkeit zu verkünden und in ihren Sakramenten zu begleiten und heilsam mitzutragen. Aber um des eigenen patriarchalen Machtanspruchswillen wurden sogar systemrelevante und systembedingte Missbrauchsfälle vertuscht und die Täter gestützt statt die Opfer zu schützen und als solche reuemütig anzuerkennen. Aber Gott sei Dank sieht es die absolute Mehrheit der Teilnehmer des „synodalen Weges“ genauso. Aber offensichtlich nicht die reformresistenten Kurialen in Rom, die versuchen den Reformprozess zu bremsen aus Angst vor Autoritätsverlust und Machteinbuße. Reform, Reformprozess oder gar Reformation sind für sie verdächtige und angstbesetzte Unworte. Vielleicht, und hoffentlich wird es diesen Kräften nicht gelingen, den von vielen angedachten Prozess zu verhindern, und damit auch die Beschlüsse des II. Vat. Konzils zu erfüllen, sonst würde die römische Kirche letztlich sich selbst abschaffen. „Ecclesia semper reformanda“ Ja, die Kirche muss sich bewegen und ändern...“Und sie bewegt sich doch“ um an Galilei zu erinnern und ihr eine weitere Blamage und den endgültigen Glaubensverlust zu ersparen. Und dann wäre auch die Legitimationsfrage des ganzen synodalen Weges eben nicht obsolet oder umsonst. Dieses endgültige „Ja“ Gottes zu seiner Schöpfung in einem evolutiven Prozess und in seiner Menschwerdung in Christus Jesus ist und bleibt der wahre und einzige Hoffnungsaspekt und zentrale Botschaft des synodalen Weges und wird wahrhaft so zum Sakrament für die Welt.

Aber: „Wenn du Gott suchst,
dann frag um Himmelswillen
nicht nur die Theologen.
Wenn du Gott suchst,
dann frag bei denen nach,
die Sehnsucht haben.
(aus der Rucksackfibel)

Mit frohen Ostergrüßen

Hans Eberhardt



31.05.2022
Einladung zur Jahreshauptversammlung, Termine
Liebe Vereinsmitglieder,

hiermit erfolgt die Einladung zur Jahreshauptversammlung, die am Dienstag, 28. Juni 2022, 17:00 Uhr wieder im B.B.W. St. Franziskus Abensberg stattfindet. Folgen Sie der Beschilderung zum Tagungsraum 5/6. Bitte melden Sie sich zur Jahreshauptversammlung an.

Ein "Stammtisch" im Sommer würde dem Vereinsleben guttun. Geplant ist ein Treffen in Abensberg, der Termin wäre der Dienstag, 19. Juli 2022, eine Einladung folgt.

Für die Herbst-Fahrt nach Südtirol gibt es zwei mögliche Termine:
30. September - 04. Oktober 2022 oder 01. Oktober - 05. Oktober 2022
Für den zweiten Termin gibt es eine Reservierungs-Option im Priesterseminar in Brixen. In der Jahreshauptversammlung soll der Reise-Termin festgelegt werden, danach können Sie sich bei Hermann Messerer verbindlich anmelden.



Ostern 2022
Osterbrief 2022
Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben,

irgendwie scheint momentan nirgends Licht zu sein am Horizont.
Wenn ich mir die aktuellen Coronazahlen ansehe, dann kann ich nur den Kopf schütteln und mich staunend fragen, wie man in dieser Situation alle Bemühungen einstellen kann, die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. So schön es klingt, auf die Eigenverantwortung der Menschen in unserem Land zu setzen, so sinnvoll es ist, alle mit in die Verantwortung zu nehmen, so hilflos stehe ich vor den viel zu vielen Coronatoten und den Inzidenzwerten. Und wenn ich dann die Bilder sehe von den 10 000 Besuchern, die eng gedrängt und ohne Masken und ohne Hemmungen den Palmatoranstich auf dem Adlersberg feiern, dann beschleicht mich nicht nur leise Angst, dass das mit der Eigenverantwortung ein sehr gefährlicher Versuch ist.

Auch auf der „zweiten Baustelle“, unserer Kirche scheint so vieles eher grau und dunkel als licht und hell. So Viele warten auf klare Worte, auf ehrliche Entschuldigungen, auf mutige Entscheidungen, die unsere Kirche in der Zeit und in der Welt ankommen lassen. Viel zu viele Entscheidungsträger sind ängstlich und übervorsichtig, vertrauen eher den Traditionen und Erfahrungen aus vielen Jahrhunderten – und vielleicht zu wenig dem Wirken des Geistes, den Jesus bei seinem Abschied seinen Jüngern und damit auch uns zugesagt hat, damit sie sich und wir uns geborgen und gehalten und begleitet fühlen können. Er wird uns nie allein lassen, selbst dann nicht, wenn wir uns tatsächlich mal falsch entscheiden sollten.

Und dann fängt einer auch noch einen Krieg an, mitten in Europa, direkt vor unserer Tür. Und wir werden offensichtlich immer mehr hineingezogen, ob wir nun Waffen liefern oder nicht. Ein älterer Freund erzählte mir, dass er als Kind den Krieg noch miterlebt hat und er sich selber wundert, wie präsent und bedrohend diese Erinnerungen mit den Bildern der zerbombten Häuser und Städte wieder hochkommen, Erinnerungen, die er schon so lange überwunden und verarbeitet gemeint hat. Er – und auch ich – fragt sich, warum die Menschen nichts lernen aus Leid und Trauer, aus Elend und Schmerz. Da kann man schon schwarz sehen für unsere Zukunft, für die Menschen.

All diese Hilflosigkeit, die Sorgen, die Ängste, haben für mich in diesem Jahr die Fastenzeit überlagert, in den „Schatten gestellt“. Und so mancher Vorsatz für die Fastenzeit ist untergegangen oder hat an Bedeutung, vielleicht sogar an Sinn verloren. Dieses Licht, das von Ostern her für mich schon immer durch die Fastenzeit strahlt, als Hoffnungsschimmer, als Wegweiser, als Motivation und auch als tragender Sinn, dieses Licht wurde verstellt durch die aktuellen Ereignisse, durch die Enttäuschungen, durch die Hilflosigkeit. Wenn man so gefangen ist von Tod und Trauer, von Not und Leid, wird es schwierig, sich vorzubereiten auf Auferstehung und Leben und Hoffnung und Freude.

Glutnester suchen,
draußen in der Nacht,
mit der bloßen,
der nackten Hand aufnehmen,
zum Mund hinaufheben,
Luft reinpusten,
bis sie heller leuchten,
bis ich Feuer fange,
brenne,
wieder Fackel bin
und
zündeln kann.
(Helmut Krausser)

Dieses Gedicht beschreibt für mich meine, vielleicht auch unsere, Situation sehr treffend. Irgendwie scheint überall das Feuer ausgegangen zu sein, nicht mehr hell lodern zu können, keine Nahrung, keine Strahlkraft mehr zu haben. Nur unter der schwarzen Oberfläche, der verkohlten Kruste schwelt noch etwas Glut. Die gilt es zu suchen. Die gilt es zu finden. Die gilt es zu retten, die letzten Reste des Feuers, das einmal in uns brannte. In uns und in unserem Leben. Das uns den Weg erleuchtet und gewiesen hat.

Und ich muss mich darauf einlassen. Ohne Angst, mir die Finger zu verbrennen, ohne zu großer Vorsicht hinter feuerfesten Handschuhen oder einer Kohleschaufel. Ich muss die Hand ausstrecken, meine Hand, selber aktiv werden.

Dieser Glut wieder Leben einhauchen, wie Gott uns Menschen den Lebensatem eingehaucht hat. Nicht müde werden, zu pusten, zu blasen, zu hauchen, bis wieder Flammen hochzüngeln, aus der Glut in meinen Händen auflodern, neu leben.

Und dann bleibt nicht aus, dass ich mich selber anstecke, dass ich selber wieder Feuer fange, begeistert bin, vom Leben, von meiner Kirche, von den Menschen um mich herum. Dass ich wieder leuchten kann für alle, die im Finstern verloren sind. Ein Licht auf dem Berg, das gar nicht verborgen bleiben kann und verborgen bleiben will. Eine Fackel sein.

Und wenn dann das Feuer in mir wieder brennt, kann ich es weitergeben, kann andere damit anstecken. Zündeln, im positiven Sinn, die Glut in anderen Menschen helfen auflodern zu lassen.

Genau das ist für mich Ostern. Jesus, angekündigt als Licht für die Welt, muss durch die Finsternis des Leidens und des Todes gehen, durch die Finsternis der Verlassenheit und der Ablehnung. Scheinbar ist sein Lebenslicht erloschen. Und seine Freunde spüren sein Feuer nicht mehr in sich. Erst, als sie die Funken der Erinnerung behutsamhervorkramen und mit Leben versorgen, lodert dieses Feuer wieder in ihnen und macht sie stark und mutig. Lässt sie selber Feuer fangen und andere mit ihrer Begeisterung anstecken.

Ich wünsche mir und uns, dass wir an diesem Osterfest die Glutnester in uns wieder entdecken und mutig in die Hand nehmen, ihnen wieder Leben einhauchen, damit es hell wird in uns und um uns herum. Und Jesus wird uns dabei sicher unterstützen!

Hermann Messerer




Advent 2021


Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben,

alle Jahre wieder und trotzdem irgendwie überraschend steht wieder Weihnachten vor uns. Dieses Fest, so voller Emotionen, so voller Erinnerungen an liebe Menschen, an Traditionen in der Familie, so voller Erlebnisse rund um den Heiligen Abend und das Christkind. So viele Erwartungen auch auf Nähe, auf Zeichen der Verbundenheit, auf friedliche und fröhliche Stunden mit der Familie, mit den Kindern, mit Freundinnen und Freunden.
Bestimmt steht dieses Fest aber auch vor uns mit den Erinnerungen an das letzte Jahr, als nur eine ganz begrenzte Anzahl von Menschen sich treffen durfte, miteinander feiern und fröhlich sein durfte. Für viele dann durchaus auch ein trauriges Fest oder zumindest in einer ungewohnten Weise, auf eine andere Art gefeiert.
Vielleicht sitzt uns deshalb auch schon die Angst im Nacken, dass wir wieder nicht unbeschwert und frei miteinander feiern dürfen, weil noch nicht ganz klar ist, wie die Pandemie sich weiter entwickelt, ob wir unsere Kontakte wieder beschränken müssen und nicht alle besuchen dürfen, die uns wichtig sind, nicht von allen besucht werden können, die wir gerne um uns haben möchten.
Das Wüten des Coronavirus stellt uns vor schwierige Entscheidungen, politisch, privat, familiär, gesellschaftlich.
Und manchmal habe ich den Eindruck, dass sich die ganze Welt, das ganze Leben, alles Denken und Reden nur mehr dreht um Maskenzwang und Impfpflicht, um Inzidenzen und Krankenhausampel, um Abstand und Kontaktverbot. Und die Gräben zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern scheinen immer größer und immer tiefer zu werden.
Manchmal kommt es mir vor, als säßen wir alle miteinander in einem Boot und die auf der einen Seite rudern zurück, die auf der anderen Seite vorwärts. Jede Seite strengt sich an und investiert Kraft und Energie, und wir drehen uns nur im Kreis. Anstatt aufeinander zu schauen und aufeinander zu hören, wird nur stur an der eigenen Meinung, an der eigenen Überzeugung festgehalten. Dabei müsste es doch darum gehen, miteinander einen Weg in die Zukunft zu finden. In Rücksicht aufeinander Ideen auszuprobieren, damit wir alle ohne zu großen Schaden aus dieser Pandemie kommen, damit niemand untergeht oder verlorengeht, damit niemand am Ende alleine die große Rechnung bezahlen muss.

Und was kann uns Weihnachten in dieser Zeit, unter diesen Bedingungen, bei dieser Ausgangslage sagen?
Vielleicht, könnte ich mir vorstellen, war die Situation damals eine ähnliche. Sicherlich nicht zu vergleichen mit unserer Zeit heute. Alles war regionaler beschränkt. Nachrichten dauerten lange, bis sie sich verbreiteten, Menschenrechte, Grundrechte waren nicht bekannt. Aber die Hilflosigkeit, die Verzweiflung, die Verlorenheit vieler Menschen waren vielleicht ähnlich. Hoffnungslosigkeit hielt viele gefangen.
Und dann beschloss Gott, selbst nach dem Rechten zu sehen, selber auszuprobieren, wie dieses menschliche Leben funktioniert. Auf sich nehmen, sich darauf einlassen, ein Mensch zu werden. Ein Mensch mit all seinen Fragen und Aufgaben, seinen Erfolgen und Schwächen, mit all den Fragen von Beziehungen und zwischenmenschlichen Erfahrungen. Er ist Mensch geworden, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und aus der persönlichen Erfahrung heraus Möglichkeiten und Chancen aufzuzeigen, wie das Leben gelingen kann, wie das Leben miteinander und mit Gott gelingen kann. Dass er eine einfache junge Frau ausgewählt hat und in einem armseligen Stall zur Welt kam, war die erste Provokation für die Reichen und Mächtigen in der Welt. Mit seiner Botschaft von einem Gott, seinem Vater, der nicht auf eine sture und blinde Erfüllung von Geboten und Vorschriften besteht, sondern immer wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellt, hat er auch die Theologen und Schriftgelehrten seiner Zeit verunsichert und getroffen. Ihr religiöses Lehrgebäude, über Jahrhunderte aufgebaut und gepflegt, kommt ins Wanken, bekommt Risse.
Für sehr viele Menschen brachte er Hoffnung und Freude, Erlösung, Befreiung.
Vielleicht auch, weil er es zulässt, verraten und enttäuscht zu werden, verkauft und falsch verstanden. Er stellt sich und seine Überzeugung, seine Ideen von einer menschlichen Welt, von einem Zusammenleben aller Menschen vor, aber als Angebot. In seiner Liebe zu uns Menschen lässt Gott uns tatsächlich die Freiheit, selber zu entscheiden, woran wir uns orientieren, welche Schwerpunkte wir setzen, wie wir unser Leben gestalten.
Bei einem Abendgottesdienst vor dem Todestag von Freddie Mercury wurden einige Lieder von ihm und seiner Band „Queen“ gesungen. Unter anderem das Lied:

„This could be heaven“, „Dies könnte der Himmel sein“.
Für mich war das eine wunderbare Einstimmung in den Advent.

Wenn Freddie Mercury vom „kühlen Grübeln in diesen kalten Zeiten“ singt, vom „kalten Betrug und der unbarmherzigen Zurückweisung“ und davon, dass alles gut sein könnte, wenn nur dieser eine käme und bei ihm sitzen würde. Alleine, wenn er kommt, besänftigt er schon den unruhigen Geist. Und schon sein Lachen kann den Alltag verschönern.
Und er frägt weiter, warum sich Menschen all diese Grausamkeiten antun, warum sich die Menschen gegenseitig verletzten, einander die Würde und Selbstachtung zerstören, ja sich sogar gegenseitig das Leben nehmen.
Und er hält dagegen: Du weißt es: Diese Welt könnte der Himmel sein, könnte der Himmel für alle sein.
Für mich sehr adventliche Gedanken.

Ja, unsere Welt scheint oft kalt und hart, lässt Menschen in Dunkelheit stürzen, verzweifeln an den Menschen und der Welt. Raubt Freiheit und Glück, enthält Chancen und Entfaltung vor für ganze Völker. Vernichtet Hoffnungen durch bloßes Kalkül und Profitgier.
Aber, wenn jetzt dieser Eine kommen würde, dessen Lachen uns glücklich machen würde, dessen Nähe uns neue Orientierung geben könnte, dessen Beispiel uns lieben lehren könnte. Dann könnte es der Himmel für uns sein!
Eigentlich muss ich nicht im Konjunktiv schreiben, weil ja tatsächlich dieser Eine schon gekommen ist, uns seine Nähe geschenkt hat, sein Lachen, uns in seiner unendlichen Liebe angenommen und befreit hat.

Diese befreiende Erfahrung der Nähe unseres Gottes wünsche ich uns allen in dieser Adventszeit.

Hermann Messerer





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