Ostern 2022 Osterbrief 2022 Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben, irgendwie scheint momentan nirgends Licht zu sein am Horizont. Wenn ich mir die aktuellen Coronazahlen ansehe, dann kann ich nur den Kopf schütteln und mich staunend fragen, wie man in dieser Situation alle Bemühungen einstellen kann, die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. So schön es klingt, auf die Eigenverantwortung der Menschen in unserem Land zu setzen, so sinnvoll es ist, alle mit in die Verantwortung zu nehmen, so hilflos stehe ich vor den viel zu vielen Coronatoten und den Inzidenzwerten. Und wenn ich dann die Bilder sehe von den 10 000 Besuchern, die eng gedrängt und ohne Masken und ohne Hemmungen den Palmatoranstich auf dem Adlersberg feiern, dann beschleicht mich nicht nur leise Angst, dass das mit der Eigenverantwortung ein sehr gefährlicher Versuch ist. Auch auf der „zweiten Baustelle“, unserer Kirche scheint so vieles eher grau und dunkel als licht und hell. So Viele warten auf klare Worte, auf ehrliche Entschuldigungen, auf mutige Entscheidungen, die unsere Kirche in der Zeit und in der Welt ankommen lassen. Viel zu viele Entscheidungsträger sind ängstlich und übervorsichtig, vertrauen eher den Traditionen und Erfahrungen aus vielen Jahrhunderten – und vielleicht zu wenig dem Wirken des Geistes, den Jesus bei seinem Abschied seinen Jüngern und damit auch uns zugesagt hat, damit sie sich und wir uns geborgen und gehalten und begleitet fühlen können. Er wird uns nie allein lassen, selbst dann nicht, wenn wir uns tatsächlich mal falsch entscheiden sollten. Und dann fängt einer auch noch einen Krieg an, mitten in Europa, direkt vor unserer Tür. Und wir werden offensichtlich immer mehr hineingezogen, ob wir nun Waffen liefern oder nicht. Ein älterer Freund erzählte mir, dass er als Kind den Krieg noch miterlebt hat und er sich selber wundert, wie präsent und bedrohend diese Erinnerungen mit den Bildern der zerbombten Häuser und Städte wieder hochkommen, Erinnerungen, die er schon so lange überwunden und verarbeitet gemeint hat. Er – und auch ich – fragt sich, warum die Menschen nichts lernen aus Leid und Trauer, aus Elend und Schmerz. Da kann man schon schwarz sehen für unsere Zukunft, für die Menschen. All diese Hilflosigkeit, die Sorgen, die Ängste, haben für mich in diesem Jahr die Fastenzeit überlagert, in den „Schatten gestellt“. Und so mancher Vorsatz für die Fastenzeit ist untergegangen oder hat an Bedeutung, vielleicht sogar an Sinn verloren. Dieses Licht, das von Ostern her für mich schon immer durch die Fastenzeit strahlt, als Hoffnungsschimmer, als Wegweiser, als Motivation und auch als tragender Sinn, dieses Licht wurde verstellt durch die aktuellen Ereignisse, durch die Enttäuschungen, durch die Hilflosigkeit. Wenn man so gefangen ist von Tod und Trauer, von Not und Leid, wird es schwierig, sich vorzubereiten auf Auferstehung und Leben und Hoffnung und Freude. Glutnester suchen, draußen in der Nacht, mit der bloßen, der nackten Hand aufnehmen, zum Mund hinaufheben, Luft reinpusten, bis sie heller leuchten, bis ich Feuer fange, brenne, wieder Fackel bin und zündeln kann. (Helmut Krausser) Dieses Gedicht beschreibt für mich meine, vielleicht auch unsere, Situation sehr treffend. Irgendwie scheint überall das Feuer ausgegangen zu sein, nicht mehr hell lodern zu können, keine Nahrung, keine Strahlkraft mehr zu haben. Nur unter der schwarzen Oberfläche, der verkohlten Kruste schwelt noch etwas Glut. Die gilt es zu suchen. Die gilt es zu finden. Die gilt es zu retten, die letzten Reste des Feuers, das einmal in uns brannte. In uns und in unserem Leben. Das uns den Weg erleuchtet und gewiesen hat. Und ich muss mich darauf einlassen. Ohne Angst, mir die Finger zu verbrennen, ohne zu großer Vorsicht hinter feuerfesten Handschuhen oder einer Kohleschaufel. Ich muss die Hand ausstrecken, meine Hand, selber aktiv werden. Dieser Glut wieder Leben einhauchen, wie Gott uns Menschen den Lebensatem eingehaucht hat. Nicht müde werden, zu pusten, zu blasen, zu hauchen, bis wieder Flammen hochzüngeln, aus der Glut in meinen Händen auflodern, neu leben. Und dann bleibt nicht aus, dass ich mich selber anstecke, dass ich selber wieder Feuer fange, begeistert bin, vom Leben, von meiner Kirche, von den Menschen um mich herum. Dass ich wieder leuchten kann für alle, die im Finstern verloren sind. Ein Licht auf dem Berg, das gar nicht verborgen bleiben kann und verborgen bleiben will. Eine Fackel sein. Und wenn dann das Feuer in mir wieder brennt, kann ich es weitergeben, kann andere damit anstecken. Zündeln, im positiven Sinn, die Glut in anderen Menschen helfen auflodern zu lassen. Genau das ist für mich Ostern. Jesus, angekündigt als Licht für die Welt, muss durch die Finsternis des Leidens und des Todes gehen, durch die Finsternis der Verlassenheit und der Ablehnung. Scheinbar ist sein Lebenslicht erloschen. Und seine Freunde spüren sein Feuer nicht mehr in sich. Erst, als sie die Funken der Erinnerung behutsamhervorkramen und mit Leben versorgen, lodert dieses Feuer wieder in ihnen und macht sie stark und mutig. Lässt sie selber Feuer fangen und andere mit ihrer Begeisterung anstecken. Ich wünsche mir und uns, dass wir an diesem Osterfest die Glutnester in uns wieder entdecken und mutig in die Hand nehmen, ihnen wieder Leben einhauchen, damit es hell wird in uns und um uns herum. Und Jesus wird uns dabei sicher unterstützen! Hermann Messerer Advent 2021 Liebe Freundinnen und Freunde vom Kloster Säben, alle Jahre wieder und trotzdem irgendwie überraschend steht wieder Weihnachten vor uns. Dieses Fest, so voller Emotionen, so voller Erinnerungen an liebe Menschen, an Traditionen in der Familie, so voller Erlebnisse rund um den Heiligen Abend und das Christkind. So viele Erwartungen auch auf Nähe, auf Zeichen der Verbundenheit, auf friedliche und fröhliche Stunden mit der Familie, mit den Kindern, mit Freundinnen und Freunden. Bestimmt steht dieses Fest aber auch vor uns mit den Erinnerungen an das letzte Jahr, als nur eine ganz begrenzte Anzahl von Menschen sich treffen durfte, miteinander feiern und fröhlich sein durfte. Für viele dann durchaus auch ein trauriges Fest oder zumindest in einer ungewohnten Weise, auf eine andere Art gefeiert. Vielleicht sitzt uns deshalb auch schon die Angst im Nacken, dass wir wieder nicht unbeschwert und frei miteinander feiern dürfen, weil noch nicht ganz klar ist, wie die Pandemie sich weiter entwickelt, ob wir unsere Kontakte wieder beschränken müssen und nicht alle besuchen dürfen, die uns wichtig sind, nicht von allen besucht werden können, die wir gerne um uns haben möchten. Das Wüten des Coronavirus stellt uns vor schwierige Entscheidungen, politisch, privat, familiär, gesellschaftlich. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass sich die ganze Welt, das ganze Leben, alles Denken und Reden nur mehr dreht um Maskenzwang und Impfpflicht, um Inzidenzen und Krankenhausampel, um Abstand und Kontaktverbot. Und die Gräben zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern scheinen immer größer und immer tiefer zu werden. Manchmal kommt es mir vor, als säßen wir alle miteinander in einem Boot und die auf der einen Seite rudern zurück, die auf der anderen Seite vorwärts. Jede Seite strengt sich an und investiert Kraft und Energie, und wir drehen uns nur im Kreis. Anstatt aufeinander zu schauen und aufeinander zu hören, wird nur stur an der eigenen Meinung, an der eigenen Überzeugung festgehalten. Dabei müsste es doch darum gehen, miteinander einen Weg in die Zukunft zu finden. In Rücksicht aufeinander Ideen auszuprobieren, damit wir alle ohne zu großen Schaden aus dieser Pandemie kommen, damit niemand untergeht oder verlorengeht, damit niemand am Ende alleine die große Rechnung bezahlen muss. Und was kann uns Weihnachten in dieser Zeit, unter diesen Bedingungen, bei dieser Ausgangslage sagen? Vielleicht, könnte ich mir vorstellen, war die Situation damals eine ähnliche. Sicherlich nicht zu vergleichen mit unserer Zeit heute. Alles war regionaler beschränkt. Nachrichten dauerten lange, bis sie sich verbreiteten, Menschenrechte, Grundrechte waren nicht bekannt. Aber die Hilflosigkeit, die Verzweiflung, die Verlorenheit vieler Menschen waren vielleicht ähnlich. Hoffnungslosigkeit hielt viele gefangen. Und dann beschloss Gott, selbst nach dem Rechten zu sehen, selber auszuprobieren, wie dieses menschliche Leben funktioniert. Auf sich nehmen, sich darauf einlassen, ein Mensch zu werden. Ein Mensch mit all seinen Fragen und Aufgaben, seinen Erfolgen und Schwächen, mit all den Fragen von Beziehungen und zwischenmenschlichen Erfahrungen. Er ist Mensch geworden, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und aus der persönlichen Erfahrung heraus Möglichkeiten und Chancen aufzuzeigen, wie das Leben gelingen kann, wie das Leben miteinander und mit Gott gelingen kann. Dass er eine einfache junge Frau ausgewählt hat und in einem armseligen Stall zur Welt kam, war die erste Provokation für die Reichen und Mächtigen in der Welt. Mit seiner Botschaft von einem Gott, seinem Vater, der nicht auf eine sture und blinde Erfüllung von Geboten und Vorschriften besteht, sondern immer wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellt, hat er auch die Theologen und Schriftgelehrten seiner Zeit verunsichert und getroffen. Ihr religiöses Lehrgebäude, über Jahrhunderte aufgebaut und gepflegt, kommt ins Wanken, bekommt Risse. Für sehr viele Menschen brachte er Hoffnung und Freude, Erlösung, Befreiung. Vielleicht auch, weil er es zulässt, verraten und enttäuscht zu werden, verkauft und falsch verstanden. Er stellt sich und seine Überzeugung, seine Ideen von einer menschlichen Welt, von einem Zusammenleben aller Menschen vor, aber als Angebot. In seiner Liebe zu uns Menschen lässt Gott uns tatsächlich die Freiheit, selber zu entscheiden, woran wir uns orientieren, welche Schwerpunkte wir setzen, wie wir unser Leben gestalten. Bei einem Abendgottesdienst vor dem Todestag von Freddie Mercury wurden einige Lieder von ihm und seiner Band „Queen“ gesungen. Unter anderem das Lied: „This could be heaven“, „Dies könnte der Himmel sein“. Für mich war das eine wunderbare Einstimmung in den Advent. Wenn Freddie Mercury vom „kühlen Grübeln in diesen kalten Zeiten“ singt, vom „kalten Betrug und der unbarmherzigen Zurückweisung“ und davon, dass alles gut sein könnte, wenn nur dieser eine käme und bei ihm sitzen würde. Alleine, wenn er kommt, besänftigt er schon den unruhigen Geist. Und schon sein Lachen kann den Alltag verschönern. Und er frägt weiter, warum sich Menschen all diese Grausamkeiten antun, warum sich die Menschen gegenseitig verletzten, einander die Würde und Selbstachtung zerstören, ja sich sogar gegenseitig das Leben nehmen. Und er hält dagegen: Du weißt es: Diese Welt könnte der Himmel sein, könnte der Himmel für alle sein. Für mich sehr adventliche Gedanken. Ja, unsere Welt scheint oft kalt und hart, lässt Menschen in Dunkelheit stürzen, verzweifeln an den Menschen und der Welt. Raubt Freiheit und Glück, enthält Chancen und Entfaltung vor für ganze Völker. Vernichtet Hoffnungen durch bloßes Kalkül und Profitgier. Aber, wenn jetzt dieser Eine kommen würde, dessen Lachen uns glücklich machen würde, dessen Nähe uns neue Orientierung geben könnte, dessen Beispiel uns lieben lehren könnte. Dann könnte es der Himmel für uns sein! Eigentlich muss ich nicht im Konjunktiv schreiben, weil ja tatsächlich dieser Eine schon gekommen ist, uns seine Nähe geschenkt hat, sein Lachen, uns in seiner unendlichen Liebe angenommen und befreit hat. Diese befreiende Erfahrung der Nähe unseres Gottes wünsche ich uns allen in dieser Adventszeit. Hermann Messerer August 2021 Termine - 30. September bis 03. (oder 04.) Oktober 2021: Fahrt nach Brixen, Unterkunft im Priesterseminar, Besuch im Kloster Säben, Anmeldung zu dieser Fahrt bei Hermann Messerer - 20. Oktober 2021, 18:00 Uhr: Stammtisch beim Steidle-Wirt in Regensburg? Ostern 2021 Es geht anders! Dieses Thema der Fastenaktion von Misereor hat sich für mich in den letzten Wochen und Monaten schon bewahrheitet. Zugegeben, nicht immer freiwillig haben wir vieles verändert, was uns so lieb geworden war. Gezwungen zu einem vernünftigen und auch Andere berücksichtigenden Umgang mit diesem Virus Corona mussten wir so vieles „anders“ machen. So oft fühlten wir uns in unserer Freiheit eingeschränkt, mussten auf so Vieles verzichten, durften nicht ganz selbstverständlich Freundinnen und Freunde besuchen, Menschen begleiten. Begegnung und Kontakt, Grunddimensionen des menschlichen Lebens, bekamen eine anrüchige, eine dunkle Seite. Und immer wieder mussten wir schmerzvoll uns erarbeiten: Es geht auch anders. Es muss auch anders gehen! Wenn wir nicht in der Lage, wenn wir nicht willens sind, uns selber, unsere Lebensgewohnheiten, unser alltägliches Verhalten, auch unsere Wünsche und Pläne immer wieder mal in Frage zu stellen, von einem anderen Standpunkt, aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten, kann das tödlich sein. Oder zumindest gedankenlos langweilig. Was manchmal sogar auf das Gleiche rauslaufen kann. Vor einem Jahr habe ich im Osterrundbrief von Hoffnungszeichen geschrieben, die mir aufgefallen sind. Dass ich diesen Begriff auch an diesem Ostern wieder zitieren muss, hätte ich nicht gedacht. Aber: Es gibt sie tatsächlich noch! Wenn wieder oder immer noch Eltern mit Kindern im Gottesdienst sind, wenn die Pfarrei technisch so aufgerüstet hat, dass alle über das Internet an den Gottesdiensten teilnehmen können (und die Einschaltquoten erstaunlich hoch sind!), wenn ein täglicher „teatime Impuls“ die Fastenzeit kreativ gestaltet, wenn das traditionelle Fastenessen online und in den Familien mit zur Verfügung gestelltem Rezept gemacht wird, mit live-Schaltung nach Nepal. Dann sind diese Hoffnungszeichen immer noch da und schaffen Verbindung über diese Bedrohung und über diese Einschränkungen hinaus, auch in Distanz und ohne Treffen. Es geht auch anders! Und es muss anders gehen. Diese Erfahrung durften/mussten wir ja auch im Herbst bei unserem Besuch im Kloster machen: Wir mussten zum Übernachten ins Priesterseminar in Brixen ausweichen und konnten unser Kloster und die Schwestern nur zwei Mal kurz besuchen. Aber: Diese Besuche waren sehr intensiv und für mich von einer sehr großen Nähe erfüllt. Die fehlende Selbstverständlichkeit (Wohnen im Kloster) kann den Blick wieder schärfen und die Beziehung intensivieren. Und trotzdem hoffe ich, dass wir bei den nächsten Besuchen wieder im Kloster zu Gast sein können. Ob das im Sommer schon sein kann, oder zumindest dann im Herbst, müssen der Entwicklung der Pandemie, dem Fortschritt der Impfungen überlassen. Es geht auch anders! Ist für mich im Grunde die zentrale Aussage Jesu! Traditionelle, verkrustete Gottesvorstellungen müssen immer wieder aufgebrochen und mit Leben erfüllt werden. Mit einem Leben, das über unsere menschlichen und weltlichen Vorstellungen weit hinaus geht. Weil es seinen Ursprung und auch sein Ziel bei unserem Gott hat. Weil es sich nicht stoppen lässt, weder durch ein kleines Virus, noch durch den menschlichen Tod. So mächtig und bedrohlich beide momentan auch erscheinen mögen. Jesus hat dies in seinem Tod und in seiner Auferstehung für uns alle sehr deutlich gemacht. Aus diesem Vertrauen heraus und aus der Gewissheit, dass Gott unser Leben will und seinerseits alles tut, damit unser Leben gelingt, lasst uns Ostern feiern, den freiwilligen Tod, vor allem aber die Auferstehung und das neue Leben. Und daraus Kraft schöpfen für den Alltag und die manchmal dunklen Momente! Herzliche Grüße Hermann Messerer Weihnachten 2020 Gedanken zu Advent und Weihnachten 2020 Der Advent hat begonnen und Weihnachten kommt immer näher. Aber nicht die Ruhe kehrt ein in die Herzen (wie wir es uns immer im Advent wünschen) und nicht die Vorfreude auf Weihnachten überschattet alles, wie wir es in den letzten Jahren so erlebt haben. Trotz der Anspannung, trotz der angestrengten Suche nach dem passenden Geschenk für die Menschen, die uns wichtig sind, war da doch immer dieses vertraute Leuchten, diese wunderschönen Erinnerungen an Feste, an Familie, an Freundinnen und Freunde. Dieses Jahr müssen wir überlegen, ob wir überhaupt als Familie miteinander feiern können, die Kinder in eigenen Haushalten weit im Land verstreut. Die Angst lässt der Vorfreude wenig Platz. Können wir es denn überhaupt verantworten, am Heiligen Abend in die Christmette zu gehen? Liebgewordene Traditionen werden in Frage gestellt, Schwerpunkte völlig neu gesetzt. Ein Weihnachtsfest, nicht, wie wir es gewohnt sind. Und trotzdem wird Weihnachten kommen. Es wird sich nicht aufhalten lassen. Dabei sehe ich Weihnachten nicht nur als Termin, den es abzuhaken gilt, der halt immer im Terminkalender steht: „Alle Jahre wieder …“ Weihnachten ist ein Geschehen, das unser Leben prägt, beeinflusst, bestimmen kann und soll. Vielleicht werden meine Gedanken durch die Geschichte des 4. Königs ein wenig deutlicher: Als damals dieser Stern aufging am Himmel, ein neuer, bisher nie gesehener Stern, so leuchtend, so faszinierend, ließen sich nicht nur die Heiligen Drei Könige in ihrem Inneren anrühren und machten sich auf den Weg, den Grund für das Erscheinen zu suchen. Von ihnen, von den Sterndeutern aus dem Osten, berichtet uns der Evangelist Matthäus ausführlich. Aber noch ein 4. König hatte sich auf den Weg gemacht. Da sein Kamel aber schon auf den ersten Kilometern lahmte, kam er nicht pünktlich zum verabredeten Treffpunkt und die anderen brachen ohne ihn auf. Er war aber so motiviert, so begeistert von diesem Stern, dass er allein loszog. Auf seinem Weg hinter den drei anderen Königen her wurde er immer wieder aufgehalten. Einmal traf er mitten in der Wildnis auf ein blutendes und weinendes Kind, völlig hilflos und allein. Er nahm es auf sein Kamel und suchte im nächsten Dorf nach der Familie der den Verwandten. Als er niemanden fand, zu dem das Kind gehörte, suchte er eine Pflegefamilie. Damit es dem Kind gut ging, schenke er der Familie einen der drei Edelsteine, die er als Geschenk für den kleinen neuen König mitgenommen hatte, den er ja am Ziel der Reise unter dem Stern zu finden sicher war. Wieder waren Wochen vergangen bis er seinen Weg fortsetzen konnte. Bis er nach Bethlehem kam, waren seine Freunde schon lange wieder abgereist. Sie hatten ja den Stern über dem Stall und das kleine Kind darin gefunden. Und den grausamen König Herodes darauf aufmerksam gemacht, der seine Soldaten geschickt hatte, um alle kleinen Knaben in Bethlehem zu töten. Unser 4. König traf nur mehr die verzweifelten und verstörten Menschen an. Eine Mutter mit zwei kleinen Mädchen fiel ihm besonders auf. Sie hatte vor kurzem ihren Mann verloren und Weihnachten - und dann? Was bleibt außer der leeren Krippe? Jetzt hatten die Soldaten auch ihren kleinen Sohn ermordet. Damit sie und ihre Töchter nicht verhungerten, schenke er ihr den zweiten Edelstein. Er setzte seine Suche nach dem Kind beharrlich fort, fand immer wieder Spuren und Hinweise, kam aber immer zu spät. Jahre später kam er gerade in ein Dorf, das Soldaten überfallen hatten. Sie wollten das Dorf zerstören und die Menschen in die Sklaverei verkaufen. Mit seinem letzten Edelstein kaufte er das Dorf frei. Jetzt hatte er nur mehr sein Kamel und den unstillbaren Wunsch, dieses Kind zu finden. Nachdem er an einen aussätzigen Bettler auch noch sein Kamel verschenkt hatte, stand er eines Tages in einer Stadt am Hafen. Dort sollte gerade ein Mann als Galeerensklave an Bord gehen. Seine Frau und die Kinder schrieen ihre Verzweiflung laut heraus. Da ließ unser 4. König sich wieder berühren und ging anstelle des Mannes als Sklave auf die Galeere. Jetzt hatte er alles verloren: Seine Edelsteine, sein Kamel, seine Freiheit und wahrscheinlich auch seinen Traum, dieses Kind unter dem Stern doch noch irgendwann zu finden. Nach vielen Jahren auf dem Schiff wurde ihm die Freiheit geschenkt und an einem für ihn fremden Land wurde er frei gelassen. Und in dieser Nacht hatte er einen Traum: Er sah seinen Stern wieder! Und dieser Stern wies ihm den Weg in eine große Stadt. Dort herrschte große Aufruhr und viele Menschen waren unterwegs. Sie schoben ihn mit sich aus der Stadt hinaus auf einen kleinen Hügel. Dort standen drei Kreuze mit drei Männern daran. Und er sah über dem Kreuz in der Mitte seinen Stern leuchten. Da zog ein tiefer Friede in sein Herz und trotz der Trauer über diese Grausamkeit wurde er froh. Er hatte, das erkannte er jetzt, sein Kind gefunden! Ich habe diese Geschichte frei nach Edzard Schaper erzählt, der eine alte russische Legende aufgegriffen hat. Weihnachten als Geschehen, das das ganze Leben dieses 4. Königs beeinflusst hat, geprägt hat. Ein Geschehen, das ihn nie mehr losgelassen hat. Wie die drei anderen Könige hat auch er diese Unruhe in sich gespürt, die mit dem Aufgang dieses neuen Sternes entstanden ist, diese Sehnsucht nach Antworten für sein, für unser Leben. Aus der Überzeugung heraus, dass da eine Macht ist, eine Größe, die sich nicht mit einfachen Worten beschreiben lässt, eine Macht, die da ist für uns und uns in ihren Bann zieht, haben sie sich auf den Weg gemacht. Ob und wie sich das Leben der anderen drei verändert hat, wird allenfalls angedeutet: „Sie zogen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück.“ Aber auch sie sind für mich Vorbilder, trotz aller Zweifel an ihrer Historizität und aller Deutungsversuchen als Vertreter der bekannten Erdteile und der Menschen. Die Unruhe in sich spüren. Eine Unruhe, die sich nicht vertreiben lässt durch ein gesichertes Leben, durch Antworten, mit denen man sich zufriedengibt, weil sie allgemein gültig scheinen. Sich selber offen halten für das Unerwartete, das Außergewöhnliche. Ja, auch dafür, dass Gott selber in unsere Welt gekommen ist. Ein wunderbares Wissen, eine wahrhaft beruhigende Nachricht. Und, wenn wir jetzt wieder seinen Geburtstag feiern, dann sollten wir nicht vergessen, dass er nicht nur an diesem Tag da ist, sondern das ganze Jahr da sein will. Ich wünsche uns allen – trotz aller widrigen Umstände – oder vielleicht gerade deshalb – eine gute Vorbereitung auf Weihnachten und dann ein Fest, in dem wir unserem Gott wieder begegnen dürfen. Und aus dieser Begegnung heraus die Kraft und den Mut und die Kreativität, mit den Beschränkungen und erzwungenen Veränderungen gut und konstruktiv umzugehen. Und aus dieser Begegnung heraus auch die Freude und die spannende Erwartung auf das kommende Jahr, mit allem, was es uns bringen wird. Hermann Messerer << vorherige Seite nächste Seite >> |